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Rat beschließt Beteiligung an „Modellprojekt Smart Cities“

Celles Start in die schön neue Welt der Digitalisierung fand seinen Start in der Cafeteria des Rathauses. Dort und nicht wie üblich in der Alten Exezierhalle beschloss der Rat die Bewerbung der Stadt als Modellprojekt „Smart Cities“ des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat. Immerhin ein smarter Beginn. Ob die mit großer Mehrheit zustande gekommene Mehrheit dann auch nur mit dem Weitblick aus dem vierten Geschoss des Rathauses mithalten kann, wird sich zeigen.

Oliver Müller, Fraktion Die Linke/BSG, war einer der Wenigen, die dagegen stimmten. Grund war - wie schon häufiger - eine maßlos schlechte Beschlussvorlage der Verwaltungsspitze. Der Knaller dabei: Die Stadt hatte sich längst beworben, der Bewerbungsschluss war der 17. Mai, ohne die Angelegenheit auch nur ein einziges Mal in einem Fachausschuss zu erörtern. Und bis zum Verwaltungsausschuss kurz vor der Sitzung ließ sie die Ratsmitglieder sogar darüber im Unklaren, dass die eigentliche Bewerbung längst erfolgt war und es jetzt nur noch darum ging, auch den erforderlichen Ratsbeschluss nachzuschieben. Die Verwaltung aber erging sich im Werben für den Beschluss vor allem darin, die mit dem Projekt einhergehende Bürger*innen-Beteiligung zu preisen. SPD-Ratsmitglied Christoph Engelen brachte es insoweit auf den Punkt, also er anmerkte, es wäre schön, wenn die Verwaltung mal damit beginnen würde, den Rat zu beteiligen.

Müller beklagte neben dem undurchsichtigen Verfahren, dass die Beschlussvorlage nicht erkennen lasse, dass die Verwaltungsspitze einen Plan davon habe, wohin die Digitalisierungsoffensive führen soll: „Mit einiger Phantasie und den Infos aus dem Fachausschuss gestern denke ich mir Folgendes: Eine halbe Kraft der Uni erforscht den Digitalisierungsgrad der Kommune, liest nebenher eine Menge Bücher und generiert daraus am Ende ein paar Entwicklungsvorschläge. Das ist dann wahrscheinlich eine gute Basis für eine Promotion. Unterstützt wird diese wissenschaftliche Kraft von einer neu zu schaffenden Organisationseinheit im Rathaus mit 3 bis 6 Vollzeitstellen. Wissen Sie eigentlich, was die dann machen? Ich ehrlich gesagt nicht. In der Umsetzungsphase werkeln dann zwischen 2021 und 2026 rund 10 Beschäftigte im Rathaus in der Organisationseinheit „Smart Cities“. Ich wiederhole mich: Was ist deren Job? Denn gleichzeitig werden ja auch drei Millionen für die Entwicklung der Apps ausgegeben – also doch wohl eine Entwicklung in Fremdvergabe. Wenn ich die Ausschuss-Informationen zwischen den Zeilen richtig verstehe, geht’s unter anderem darum, Leute, die wir sowieso beschäftigen, mit Mitteln des Bundes zu bezahlen.“

In der nächsten Woche will die Verwaltungsspitze ja gleichzeitig fast die ganze IT im Rathaus an den Zweckverband Kommunale Datenverarbeitung Oldenburg (KDO) abgeben. Wie das zusammengehe, lasse die Verwaltung offen? Müller vermutet, dass Mitarbeitende, die nicht zu KDO wechseln wollen, in die Smart-City-Abteilung delegiert werden, wo sie dann aus Projektmitteln bezahlt werden. Die Verwaltung preist die Beteiligung am Modellprojekt gleichzeitig damit an, dass es mit 10 % Beteiligung an den Gesamtkosten ja fast nichts kosten würde. Für Müller sind 907.000 EUR für die nächsten sieben Jahren nun auf der anderen Seite aber auch eben nicht gar nichts ist. Müller hierzu angesichts der grottenhaften Vorbereitung: „Wer in einen Laden geht und ein Produkt kauft, nur weil es super billig ist, ist nicht clever, sondern leider ein bisschen bekloppt. Will sagen: Wir bräuchten doch eine Vorstellung darüber, wohin sich die Stadt entwickeln soll. Vier oder fünf „schicke“, neue Apps sind mir da leider viel, viel zu wenig.“ Eins aber mache ihn zuversichtlich: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Celler Bewerbung große Chancen hat.“