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Einige Notizen zur Ratssitzung vom 17. Juni

Wie schon bei der Abgabe des Bereichs Jugendhilfe an den Landkreis vor zwei Jahren (siehe hier) benötigte der konservative Block aus CDU/FDP/Unabhängige auch dieses Mal wieder die Stimmen der AfD für eine Mehrheit, als es um die Abgabe der Zuständigkeit für die Tagespflege an den Landkreis ging. Das dürfte eigentlich der Kanzlerin und der CDU-Bundesvorsitzenden nicht gefallen. Es gibt einen Beschluss des Präsidiums der CDU Deutschlands in einer Sondersitzung am 7. Februar 2020, in dem es heißt: „Für die CDU Deutschlands gilt: Es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD – weder in direkter, noch in indirekter Form.“ Was sollte das auch für die Kommunalpolitik eigentlich bedeuten: Der Oberbürgermeister und die CDU müssen sich eine Mehrheit suchen, die nicht auf die Stimmen der AfD angewiesen ist. Das würde z.B. gehen, indem der Oberbürgermeister auf die Fraktionen zugeht, die einer seiner Beschlussvorlagen nicht zustimmen und versucht, einen Kompromiss zu finden.

Zum eigentlichen Thema hat Behiye Uca unsere Ablehnung damit begründet, dass die Verwaltung nicht klar machen konnte, warum die Vorteile, die vor zwei Jahren dafür sprachen, die Tagespflege bei der Stadt zu behalten, heute nicht mehr gelten. Und es gab eine grundsätzliche Kritik: "Das Wahlkampfmotto von Dr. Nigge – nämlich: Celle kann mehr – wird wieder einmal dadurch umgesetzt, dass Celle weniger macht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das auf lange Sicht aufgeht." (Die ganze Rede siehe unten.)

Ein weiterer wichtiger Punkt war der Antrag der Gruppe Ute Rodenwaldt-Blank / Dr. Jörg Rodenwaldt auf "Einrichtung eines Härtefallfonds für ortsansässige Unternehmen von ca. 2 Mio. Euro (in Ergänzung zur Förderkulisse der Landes- und Bundesebene)". Auch wenn das sehr sympathisch klingt, sind wir der Auffassung, dass die Stadt nicht zusätzlich zu den Hilfsprogrammen von Land und Bund tätig werden sollte, allerdings schon - wie von der Verwaltung ins Spiel gebracht - die Sparkasse ein lokales Programm für Härtefalldarlehen an den Start bringen sollte. Die Rede von Oliver Müller hierzu findet sich ebenfalls unten.

Zum Thema wurde eingangs gleich auch die Einwohner*innen-Fragestunde. Oliver Müller kündigte an, das Protokoll der letzten Ratssitzung nicht zu genehmigen, weil dort zu einer Bürgerfrage notiert war: "Eine Zusatzfrage wurde in der Sitzung gestellt, die von Stadtbaurat Kinder beantwortet wurde.“ Müller meinte: "Wenn Sie sich fragen, warum Bürgerinnen und Bürger manchmal an der Ernsthaftigkeit der Verwaltung zweifeln, dann haben Sie hier eine Antwort." Immerhin - das Protokoll wurde zur Überarbeitung an die Verwaltung zurückverwiesen.

Für alle Anwesenden überraschend startete der Oberbürgermeister am Ende eine - nun ja - "Kritik"-Rede an der SPD-Fraktion, die einiges an Irritiationen hervorrief - mehr siehe hier bei CelleHeute.

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Ö 11 - Antrag der Gruppe Ute Rodenwaldt-Blank / Dr. Jörg Rodenwaldt "Einrichtung eines Härtefallfonds für ortsansässige Unternehmen von ca. 2 Mio. Euro (in Ergänzung zur Förderkulisse der Landes- und Bundesebene)"

Oliver Müller, Fraktionsvorsitzender Die Linke/BSG

Wer könnte auf den ersten Blick nicht Sympathie zu dem Antrag entwickeln? Jede und jeder von uns kennt kleine Betriebe, die unter die Räder zu kommen drohen. Aber: Wie die Verwaltung aufgelistet hat, gibt es eine ganze Reihe von Fördertöpfen.

Und wir sind auch der Auffassung, dass hiermit und mit den konkret auf Celle bezogenen Verwaltungsvorschlägen Wirkungen erzielt werden. Betriebe, die nicht schon vor Corona in der Schieflage waren, könnten damit überleben.

Zwei Aspekte will ich hinzufügen:

Erstens: Verwaltung und Rat sollten schnellstmöglich die Punkte aus der Beschlussvorlage realisieren, mit denen wir sofort helfen können.

Zweitens: Im Sinne des Antrags der Gruppe sollte möglichst noch vor der Sommerpause eine Entscheidung darüber gefällt werden, dass die Sparkasse Härtefalldarlehen an den Start bringt und die Stadt dafür Bürgschaften anbietet. Das halten wir für einen professionellen Ansatz. Und vielleicht – auch das wäre zu prüfen – geht es ja auch ohne die städtische Bürgschaft. Diese Idee stand allerdings schon vor drei Wochen in der Vorlage. Da stellt sich die Frage: Was ist zwischenzeitlich passiert?

Noch ein grundsätzlicher Gedanke:

Es ist – jenseits von Einzelfällen – schwierig, die Situation zu beurteilen. Und es wird für den Rat nicht einfacher, wenn die Verwaltung sich eher unwillig zeigt, uns mit entsprechenden Basisdaten zu versorgen. Ich beziehe mich dabei auf die Antworten zu unserer Anfrage aus der vergangenen Ratssitzung.

Es ist für uns wirklich völlig unverständlich, wieso wir keine Daten zu Kurzarbeit oder der Situation der städtischen Betriebe erhalten haben. Ich sage das an dieser Stelle, weil es doch genau auch darum geht, abzuwägen, wo wir jetzt sinnvoll unser ja eigentlich gar nicht vorhandenes Geld einsetzen. Wir hoffen mal, dass die anderen Fraktionen das ähnlich sehen.

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Ratssitzung – 17.06.2020 - TOP10 Vereinbarung mit dem Landkreis Celle über die Wahrnehmung der Jugendarbeit und der Kindertagesbetreuung vom 14.01.2019 - Teilkündigung des Vertrages: Abgabe der Kindertagespflege

Rede Behiye Uca – Fraktion Die Linke/BSG

Die Abgabe der Jugendhilfe an den Landkreis war ein sehr umstrittenes Thema. Eine Mehrheit ist seinerzeit nur durch die Stimmen der AfD zustande gekommen.

Jetzt geht es nur noch um die Tagespflege. Sie ist mit der Begründung bei der Stadt geblieben, dass es sinnvoll sei, die Kindertagesbetreuung „vollumfänglich in eigener Zuständigkeit regeln zu können“.

Was hat sich geändert, dass dies jetzt auf einmal nicht mehr gelten soll?

Die Verwaltung begründet ausführlich, warum die Tagespflege jetzt abgegeben werden soll. Nichts aber ist zu dem ursprünglichen Gedanken zu lesen. Klar. Es geht darum, den Rat zu überzeugen.

Aber überzeugen die Argumente? Irgendwie kann man den Endruck bekommen, wir geben die Tagespflege ab, weil die zuständige Sachbearbeiterin in Ruhestand geht.

Von Vor- und Nachteilen ist in der Vorlage die Rede. Bei der Auflistung aber ist von Vorteilen nichts zu lesen. Warum haben wir die Tagespflege dann überhaupt ursprünglich behalten?

Für mich entsteht unter dem Strich folgender Eindruck.

Das Wahlkampfmotto von Dr. Nigge – nämlich: Celle kann mehr – wird wieder einmal dadurch umgesetzt, dass Celle weniger macht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das auf lange Sicht aufgeht.