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Ratsmehrheit für Privatisierung von Wasser und Abwasser

Oliver Müller: "Kein einziger Grund SPricht dafür"


Eine große Ratsmehrheit aus CDU, SPD und FDP beschloss am 14. März 2013 eine Resolution, in der es u.a. heißt:

"Die in Celle auf Grund der Beschlusslage des Rates vom 14.2.2013 zu überprüfende Wasser- und Abwasserversorgung in kommunaler Hand steht mit der vorgesehenen Änderung der Konzessionsvergaben auf EU Ebene nicht in unmittelbaren Zusammenhang. Gleichwohl wollen wir nur unter Beachtung dieser Grundüberzeugung diese Bereiche neu aufstellen. Die Stadt wird ihren letztentscheidenden Einfluss nicht zur Disposition stellen. Maßgeblich wird sie deshalb auf die Eigentumsverhältnisse bei Kooperationspartnern und auf die eigenen Anteilsanteile abstellen."

Das bedeutet nichts anderes, als dass diese Ratsfraktionen eine Privatisierung bei Wasser und Abwasser einleiten wollen. Der OB hat die Gelsenwasser AG eingeladen, die steht jetzt vor der Tür und klingelt - und eine Ratsmehrheit ruft lautstark "Hereinspaziert!"

Warum die Fraktion Die Linke/BSG strikt dagegen ist, macht der Redebeitrag von Oliver Müller (BSG) deutlich:

„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“, so Walter Ulbricht am 15. Juni 1961. Zwei Monate später stand sie. Mir kommt dies jetzt immer in den Kopf, wenn es um die Zukunft von Wasser und Abwasser in Celle geht. So häufig sind in den vergangenen Wochen Nebelmaschinen angeschmissen worden, dass manche Bürgerinnen und Bürger sich schon fragen, ...

... worum eigentlich wieder gestritten wird. Das beide heute zur Abstimmung stehenden Resolutionen unter dem Motto „Wasser ist Menschenrecht“ laufen, ist leider auch schon wieder so eine Vernebelung der Absichten.

Worum geht es?

Gemeinsam mit Bündnisgrünen, Unabhängigen und WG wollen wir, dass Wasserversorgung und Abwasserreinigung und Kanalbetrieb gänzlich in öffentlicher Hand bleiben. Das heißt: „Tür zu“ für jeden Versuch, auch nur in Teilen diese Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge zu privatisieren.

Was wollen der Oberbürgermeister und die SPD?

Sie wollen genau für diese Bereiche eine Tür aufmachen für private Investoren. Bei ihnen heißt das dann: Kooperationspartner suchen.

Und wenn der Oberbürgermeister öffentlich bis vor kurzem betont hat, dass es keinesfalls um die Trinkwasserversorgung geht, dann straft ihn die SPD-Resolution heute Lügen.

Im SPD-Antrag ist ausdrücklich davon die Rede, dass die Organisationsform von Wasser- und Abwasserversorgung zu überprüfen wären.

Dass die SPD jetzt meint, sich damit auf den Ratsbeschluss vom 14. Februar berufen zu können, ist nicht ganz unlogisch. Das war der entscheidende Grund, warum wir dazu vor einem Monat NEIN gesagt haben.

Umso mehr sind wir erfreut, dass Bündnisgrüne und Wählergemeinschaft jetzt mit der gemeinsamen Resolution klarstellen, dass es ihnen zumindest nicht um diese Bereiche geht. [...]

Der zentrale Punkt, also die Frage: „Soll in Celle privatisiert werden oder nicht“, ist in beiden Resolutionen eingebettet in eine Ablehnung des Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zur Konzessionsvergabe im Wasser- und Abwasserbereich. Das hört sich ziemlich kompliziert an. Deshalb will ich – auch für die Zuhörerinnen und Zuhörer – mal versuchen zu erklären, wie ich das verstehe.

Die EU-Kommission will die Wasser- und Abwasserwirtschaft „liberalisieren“. Das heißt: Unter bestimmten Voraussetzungen sollen die Städte und Gemeinden diese Bereiche für die „Märkte“ öffnen. Bei einer Neuvergabe der Konzession muss dann europaweit ausgeschrieben werden. Dann heißt es: Goodbye Stadtwerke, Hello Veolia, willkommen Gelsenwasser.

Ökologische und soziale Aspekte, auf die wir heute Einfluss haben, kommen dann unter die Räder, wenn Wasser (und Abwasser) ein normales Handelsgut werden.

Nun könnten die Bürgerinnen und Bürger den Eindruck bekommen, dass wir dazu heute im Rat ja alle die gleiche Meinung hätten. Ich bin mir da nicht so sicher.

Warum nicht?

Wer sich die Diskussion um die EU-Richtlinie genauer anschaut, stößt auf einen wichtigen Zusammenhang. Diese Richtlinie – falls sie kommt – führt nicht automatisch zur Privatisierung der Wasserversorgung. Aber: Wenn eine Kommune diese wichtige Aufgabe gemeinsam mit privaten Partnern oder anderen Kommunen erfüllt, muss dieser Bereich dem Markt ausgesetzt werden. Dann muss die Leistung europaweit ausgeschrieben werden.

Klingt kompliziert. Da können wir froh sein, dass sich die Verwaltungsspitze in den vergangenen Monaten schon kostenlos von der Gelsenwasser AG hat beraten lassen. Das war jetzt ironisch gemeint.

Deutschlands Wirtschaftsminister hat leider am 11. Dezember 2012 im EU-Ministerrat dem Entwurf der EU-Richtlinie ohne jede Ausnahme für den Wasserbereich zugestimmt – was interessanterweise nicht in Einklang ist mit CDU-Parteitagsbeschlüssen. Es ist also wahrlich nicht sicher, ob die EU-Richtlinie noch verhindert werden kann.

Die Auswirkungen der EU-Richtlinie können wir für Celle aber noch recht einfach verhindern, indem Wasserversorgung und Wasserentsorgung gänzlich in öffentlicher Hand bleibt.

Auch aus diesem Grund also sind wir strikt dagegen, in die Stadtwerke GmbH einen „Partner“ zu holen oder im Abwasserbereiche Teilprivatisierungen zu betreiben.

Vielleicht ist es an dieser Stelle sogar sinnvoll, mal eine weitere Nebelkerze beiseite zu schieben. Wenn wir gegen Privatisierung unsere Stimme erheben, wird in der Öffentlichkeit gekontert: Aber die Stadtwerke seien doch als GmbH schon „privatisiert“. Ich sag’s mal geradeheraus: Das ist eine Verarschung von Bürgerinnen und Bürgern. Eine 100%-ige Gesellschaft der Stadt Celle – und das sind die Stadtwerke – hat materiell mit einer Privatisierung nichts zu tun, es ist eine Eigengesellschaft. Darum geht es weder uns, noch den Bürgerinnen und Bürgern.

Abwasserwirtschaft und Kanalbetrieb sind im Unterschied zu den Stadtwerken noch eine Art Regiebetrieb. Das heißt: Wir haben den größtmöglichen Einfluss auf die Qualität, auf die Gebühren, auf die Arbeitsbedingungen usw. usw.

In der „Gemeinsame Erklärung des Städtetages (DST), des Landkreistages (DLT) sowie des Städte- und Gemeindebundes (DStGB) vom 29.11.2012“ heißt es:

„Gerade die kommunalwirtschaftlichen Strukturen bei der Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung genießen bei den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland aber höchste Wertschätzung. Dies belegt aktuell eine repräsentative Umfrage [...]. Danach sprechen sich 82 Prozent der Befragten gegen neue Vorschriften aus Brüssel aus.“

Die Bürgerinnen und Bürger wollen, dass es so bleibt wie es ist: Einfach.

Und das heißt für sie zunächst einmal: kostendeckende Gebühren. Es gibt keinen vernünftigen Grund, mit den Abwassergebühren noch die Gewinnerwartungen anderer Konzerne zu bedienen. Die Gelsenwasser AG beispielsweise wird zu 50 % Prozent von den Städten Bochum und Dortmund betrieben. Gewinne gehen in die jeweiligen städtischen Haushalte. D.h. für Bürgerinnen und Bürger, die das Glück haben, in einer Kommune zu leben, die mit Gelsenwasser zusammenarbeitet: Mit jeder Toilettenspülung stopfen sie ein klitzekleines Loch im Haushalt der beiden hochverschuldeten Städte im Ruhrpott. Ein kommunaler Finanzausgleich der ganz besonderen Art.

Wer beim Abwasser verdienen will, kann dies nur, indem die Gebühren erhöht werden, indem die Qualität sinkt oder indem bei den Beschäftigten gekürzt wird. All das wollen wir nicht.

Die Abwassergebühren in Celle liegen im Mittelfeld, die Abwasserreinigung ist auf dem neuesten Standard und mit den Beschlüssen der letzten Monate ist das Klärwerk sogar ins Klimaschutzkonzept eingebunden. Und auch beim Kanalsystem gibt es keinen einzigen vernünftigen Grund zu erwarten, dass dies Private besser machen können.

Unser Fazit: Schaffen wir heute alle Zweifel aus der Welt. Wasser- und Abwasserwirtschaft müssen in Celle zu 100 Prozent in kommunaler Hand bleiben.

Alles andere sitzt der Illusion auf – ich formuliere mal etwas salopp –, „aus Scheiße Gold machen“ zu können. Bei diesem Umwandlungsversuch, soviel wissen wir aus den Privatisierungserfahrungen der vergangenen Jahre, bei diesem Umwandlungsversuch stinkt es immer."