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Müller spricht von "Armutszeugnis"

und fordert Rücknahme der Kürzungen bei Stadtbibliothek

In der Haushaltssitzung des Rates am 16.01.2014 forderte der Vorsitzende der Fraktion die Linke/BSG eine Rücknahme der Kürzungen bei der Stadtbibliothek. Da der verabschiedete Haushalt ansonsten in kaum mehr besteht als einer Verlängerung der schon Monate andauernden Haushaltssperre, sprach Müller von einem "Armutszeugnis". Hier seine Rede im Wortlaut:

Was der Rat heute abgeben soll, ist ein Armutszeugnis.

Es ist ein „Armutszeugnis“ im doppelten Sinn:

Es wird angezeigt eine Armut in finanzieller Hinsicht, aber: Es wird auch angezeigt eine Armut in politischer Hinsicht. Das Zweite finde wir weitaus dramatischer.

Ja – es ist richtig: Die Stadt ist nicht auf Rosen gebettet. Und ja – es gibt ein strukturelles Problem. Darüber könnten, ja darüber sollten wir streiten. Aber genau das will eine Mehrheit nicht.

Die Mehrheit ist angesichts des Haushaltslochs erstarrt wie ein Kaninchen beim Blick auf die Schlange. Und die einzige Antwort, die heute gegeben wird, ist die faktische Verlängerung der nun schon Monate andauernden Haushaltssperre.

Aber klar: Die ganz große Haushaltskoalition meint ja, sie habe den Schlüssel zur Lösung gefunden. Die Beauftragung der KGSt soll es richten.

Warum sehen wir darin ein politisches Armutszeugnis?

Weil der Rat – ohne jede Not – seine Verantwortung abgibt. Die KGSt ist unsere TROIKA. Nur uns wird sie im Unterschied zu Griechenland nicht aufgezwungen, wir wählen sie selbst.

Am Ende, das wissen Sie so gut wie ich, landet die Verantwortung aber wieder bei uns. Dann kommt’s zum Schwur auf das ganz ganz große Sparpaket. Dann wird die Politik zur „Rotstift“-Politik. Und Sie haben die Hoffnung, ...

dass sich das Streichen und Kürzen dann als gewissermaßen objektiver, „alternativloser“ Schritt darstellen lässt. Und dies nur, weil ein kleines KGSt-Team den Haushalt durchforstet hat. Nebenbei – bei der ersten Vorstellung der KGSt wurden wir auch dringlich darauf hingewiesen, dass eine Kommune in einer Haushaltslage, wie wir sie haben, unbedingt darauf achten solle, welche Leistungen sie für ihr Geld erhält. – Wir erhielten ein Team mit einer Beraterin an der Spitze, die bisher vor allem Expertise in den Bereichen Sozialmanagement und Integration hat.

Das Ganze wird nicht funktionieren. Und wenn doch, dann bleibt dabei vieles, was unsere Stadt bisher ausgezeichnet hat auf der Strecke.

Städte sind über Jahrzehnte gewachsen. Sie entwickeln dabei viele Besonderheiten und Eigenheiten. Lässt sich das über Kennzahlen vergleichen? In einzelnen Bereichen vielleicht ja. Aber man kann und sollte die Städte nicht als Ganzes über einen Kamm scheren, denn dann bleibt das Besondere auf der Strecke. In der Regel wird es sich darum handeln, was sich im Haushalt in den so genannten „freiwilligen Leistungen“ ausdrückt. Genau das ist es aber, was jeder Stadt ihr eigenes Gesicht gibt.

Und genau deshalb hoffen wir darauf, dass sich die Bürgerinnen und Bürger wie auch die Beschäftigten zur Wehr setzen werden, wenn es daran geht, das Besondere aus dem Weg zu räumen.

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Einen ersten, kleinen Eindruck bietet jetzt schon die Auseinandersetzung um die Stadtbibliothek. (Nebenbei: Finden Sie es nicht auch gänzlich unlogisch, an diesem Punkt zu kürzen, ohne auf die KGSt zu warten?)

Jedes einzelne Argument, das Jürgen Brandes, der Vorsitzende der Bibliotheksgesellschaft, in seinem Schreiben an die KGSt formuliert hat, hat Hand und Fuß. Das Schreiben ist in Kopie an die Fraktionsvorsitzenden gegangen. Wer es nicht kennt, kann es jetzt noch auf unserem Fraktionsblog nachlesen. Ich zitiere nur eine Passage:

„Der Rat hat am 20.12.2013 die von der Verwaltung neu gestalteten und komprimierten Fachziele bestätigt und zugleich zugestimmt, dass sie als Filter für Sparvorschläge im Konsolidierungsprozess genutzt werden. Das erste der jetzigen drei herausragenden Fachziele lautet: Sicherung und Schaffung von eigenen kommunalen Strukturen für lebenslanges Lernen.

An diesem Fachziel müssen sich alle Konsolidierungsmaßnahmen messen lassen, die die Stadtbibliothek betreffen.

•   Öffentliche Bibliotheken sind Bildungseinrichtungen für Jung und Alt, für Kindergartenkinder, für Schülerinnen und Schüler, für Menschen in der Aus- und Fortbildung, für Berufstätige, auch und nicht zuletzt für Senioren.

•   Ob eine Bibliothek ihre Aufgabe erfüllen kann, hängt zu einem wesentlichen Teil davon ab, ob sie mit den Medien ausgestattet ist, die die Nutzer benötigen und von der Bibliothek erwarten. D.h. Bibliotheken müssen aktuell sein. Und sie müssen auch hinsichtlich der neuen Medien bei Ausstattung und Inhalten auf dem jetzigen Stand sein. [...]

Mit der im Entwurf des Haushalts 2014 enthaltenen Kürzung für die Anschaffung von Büchern und Zeitschriften wären die Anforderungen nicht mehr zu erfüllen. An diesem Punkt muss sich erweisen, ob das Ziel, eigene kommunale Strukturen für lebenslanges Lernen zu sichern und zu schaffen, realisiert wird oder nicht.“ [Zitat Ende]

Die Bibliotheksgesellschaft hat sich im weiteren auch ausführlich zur Zweigstelle am Lauensteinplatz geäußert und deutlich gemacht, dass uns eine Scheinalternative vorgespiegelt wird: Es geht nicht darum bei der Hauptstelle zu streichen, um die Zweigstelle zu retten. Das ist nicht die Alternative, vor der der Rat steht. Und das wissen Sie auch.

Ich habe das hier so ausführlich zitiert, weil Sie gleich in der Abstimmung über unseren Antrag noch die Chance wahrnehmen sollten, diesen Fehler des Haushaltsentwurfs zu korrigieren. Ansonsten riskieren Sie weit mehr, als dass sich Arno Schmidt zwei Tage vor seinem 100. Geburtstag mit Schaudern im Grabe umdreht.

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Ich will zum Schluss noch einmal auf die allgemeine Situation kommen. Sie alle wissen, dass unsere Probleme nicht nur hausgemacht sind.

Die finanzielle Ausstattung der Kommunen ist seit Jahren unzureichend. Die fünf Milliarden, die den Kommunen für die kommenden vier Jahre im Koalitionsvertrag versprochen wurden, werden keine grundlegende Wende bringen. Denn Vorschläge zur Stärkung der Einnahmeseite der Kommunen, etwa durch eine höhere Beteiligung an den Steuereinnahmen, enthält der Koalitionsvertrag nicht.

Sollte ein Gießkannenverfahren angewendet werden, hieße das eine jährliche Zuwendung von 1 Million €  für Celle. Dies kann nur ein Anfang sein, die finanzielle Misere vieler Kommunen anzugehen, und ich möchte diejenigen Mandatsträgerinnen und Mandatsträger hier im Raum, die in einer Partei sind, die Bundes- oder Landesregierungen stellen, appellieren, endlich entsprechenden Druck von „unten“ auf ihre Vertreter dort „oben“ zu machen, damit Kommunen mehr Spielräume durch bessere finanzielle Ausstattung erhalten.

Wie Sie wissen, sind wir aber auch der Auffassung, dass ein Teil unserer Probleme tatsächlich hausgemacht ist: Wir müssen uns von Großprojekten verabschieden. Und wahrscheinlich trifft die Dimension, die die CDU einfordert, den Kern der Sache. Aber dabei kann uns die KGSt doch nicht helfen, damit  müssen wir doch nicht auf die KGSt warten. Sondern wir müssen uns von dem verabschieden, was diese Stadt von den hochfliegenden Plänen am wenigsten braucht. Sie wissen, was für uns dazu gehört.

Und erlauben Sie mir die zusätzliche Anmerkung: Leider erstreckt sich der Prüfauftrag der KGSt nicht auf die UNION – da wären wir wirklich auf das Ergebnis gespannt gewesen.

Ein Satz noch zur Kreisumlage: Das Schauspiel, das hier in den letzten Wochen der Öffentlichkeit vorgespielt wurde, wird langsam peinlich. Meine Kollegin Behiye Uca hat im Kreistag für die Senkung der Kreisumlage gestimmt. Logisch – es muss nicht sein, dass sich der Kreis auf Kosten der Gemeinden einen schlanken Fuß macht. Aber: Behiye Uca hat auch darauf hingewiesen, dass der Landkreis einen Haufen Aufgaben bisher vernachlässigt hat: Niemand würde bei uns auf die Idee kommen den ÖPNV fast liebevoll „Öffis“ zu nennen. Und der Klimaschutz endet für den Landkreis vor seinen eigenen Haustüren. Würde er hier was machen, wäre es mit den Überschüssen wahrscheinlich schnell vorbei. Trotzdem muss hier ab 2015 um eine gerechtere Lösung gerungen werden.

Ich komme zum Schluss. Auch meine kleine Fraktion hat ein herausragendes Fachziel: Wir arbeiten für eine liebens- und lebenswerte Stadt. Darum streiten wir immer gern, im Rat und mit den Bürgerinnen und Bürgern. Verlassen Sie sich nicht auf die Kennzahl-Logik der KGSt, sondern auf Ihr Wissen und – meinetwegen auch – Ihr Gefühl dafür, was diese Stadt braucht und was sie nicht braucht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.