Behiye Uca: Gegen Privatisierung und die Vermischung von Aufgaben

Auf dem Bürgerempfang des KV Die Linke. am Samstag, den 20.Februar 2016 nahm Behiye Uca für die Fraktion Die Linke/BSG zu aktuellen kommunalpolitischen Fragen Stellung. (Foto: Behiye Uca mit dem Bundestagsabgeordneten Herbert Behrens.) Hier ihre Rede:

 

Liebe Anwesende,
liebe Genossinnen und Genossen,

am 11. September sind Kommunalwahlen. Ich will Ihnen deshalb einen kurzen Rückblick auf die Arbeit der Stadtratsfraktion geben und nebenbei auf Fragen hinweisen, die auch nach der Kommunalwahl noch aktuell sein werden.

Ich beginne gleich mal mit einem großen Erfolg, den wir unserer Arbeit zuschreiben können. Und das ist die Verhinderung der Privatisierung der Abwasserwirtschaft. Wir haben die von CDU/SPD/Grünen/FDP/WG angestrebte Privatisierung z.B. der Abwasserreinigung zu einem öffentlichen Thema gemacht. Zusammen mit den Beschäftigten haben wir so viel Unruhe gestiftet, dass Verwaltung und Ratsmehrheit die Finger davon gelassen haben.

Dieser Erfolg wird aktuell in Frage gestellt, weil Oberbürgermeister und Ratsmehrheit die Abwasserwirtschaft jetzt in einen sogenannten Eigenbetrieb ausgliedern wollen. Was heißt das?

Der sogenannte Eigenbetrieb ist organisatorisch selbständig – also aus der Verwaltung ausgegliedert. Er erbringt eine klar definierte Aufgabe. Die wirtschaftliche Selbständigkeit drückt sich aus in einer Trennung vom Kernhaushalt der Stadt, d.h. einem eigenem Rechnungswesen, Wirtschafts- und Stellenplan. Eine „Betriebsleitung“ verantwortet die Geschäfte. Ein „Betriebsausschuss“ übernimmt Aufgaben des Rates und des Verwaltungsausschusses.

Da ist keine Privatisierung im eigentlichen Sinne, aber: ...

Die Abwasserwirtschaft wird insgesamt weniger transparent. Und wir befürchten auch, dass die Abwassergebühren stärker steigen werden als eigentlich erforderlich.

Eine weitere Gefahr liegt darin, dass ein solcher Eigenbetrieb dann irgendwann einmal viel einfacher privatisiert werden kann.

Und leider kann das schneller passieren als gedacht. Warum? Der Oberbürgermeister sieht die Stadt gern als Konzern. Eine Wahrheit ist: Wäre die Stadt ein Konzern, wäre er nahe vor der Pleite. Die Haushaltssituation ist katastrophal. Da kann es schon ziemlich schnell locken, attraktive Teile des Konzerns zu veräußern, um Schulden abzubauen. Die Stadt Braunschweig hat es gemacht. Da müssen wir also in Zukunft sehr vorsichtig sein.

Die Haushaltssituation bringt es mit sich, dass auf vielen Feldern Stillstand herrscht. Das ist manchmal aus unserer Sicht gut. Denn niemand braucht zum Beispiel den zweispurigen Ausbau des Nordwalls. Das ist oft aber auch schlecht.

Wir haben viel Energie in Klimaschutzfragen gesteckt. Und ich denke, wir haben tendenziell eine Situation, wo es eine Mehrheit für die von uns geforderte Klimaschutzagentur geben könnte. Aber: Angesichts der Haushaltslage und angesichts der Haltung der Kreisverwaltung, die davon gar nichts wissen will, passiert erstmal leider nichts.

In Haushaltsfragen stellen wir uns gegen unbegründete Kürzungen im Sozial- und Kulturbereich. Und wir haben im Dezember auch gegen die drastischen Erhöhungen bei Grund- und Gewerbesteuer gestimmt. Weniger wäre da aus unserer Sicht mehr, und das heißt vor allem: gerechter gewesen.

Leider will weder die Verwaltung, noch die Ratsmehrheit aus CDU und SPD an das größte Millionengrab im Celler Haushalt heran. Das ist die Städtische Union, die jährlich einen Zuschussbedarf von um die 3 Millionen Euro hat. Wenn etwas in Celle privatisiert gehört, dann ist es die Union. Fast die Hälfte der Schulden, auf denen die Stadt sitzt, hat die Union eingefahren. Das muss ein Ende haben.

Ich könnte jetzt noch auf viele weitere Aspekte unserer Arbeit eingehen, aber ich will Sie auch nicht langweilen.

Deshalb nur noch zur Flüchtlingsfrage und den damit verbundenen kommunalen Aufgaben.

Stadt und Landkreis Celle haben einen großen Vorteil: Auf dem Wohnungsmarkt ist durch den Abzug der Briten Luft. D.h.: Die dezentrale Unterbringung der Geflüchteten ist hier vor Ort (noch) kein Problem.

Aber: Wir müssen aufpassen. Hier und da ist aus den Verwaltungen schon zu hören, dass die dezentrale Unterbringung auf Dauer nicht zu gewährleisten sei. Hier müssen wir uns deutlich gegen Gemeinschaftsunterkünfte aussprechen. Denn: Gemeinschaftsunterkünfte verhindern Integration.

Die Stadt Celle hat zudem einen Vorteil durch die Flüchtlingsnotunterkünfte in Scheuen sowie demnächst durch die Erstaufnahmeaußenstelle in der Hohen Wende. Warum? Die Kapazitäten dieser Lager werden auf die Aufnahmequote von Stadt und Landkreis bzw. der Stadt Celle angerechnet. Die 1.400 Plätze in Scheuen führen dazu, dass Stadt und Landkreis 700 Flüchtlinge weniger zugewiesen bekommen. Bei der Einrichtung an der Hohen Wende wird es sogar der Faktor 0,75 sein. Das heißt: Die 500 Plätze dort führen dazu, dass 385 auf die Aufnahmequote der Stadt angerechnet werden.

Auch hier ein „Aber“: Wenn die Notunterkunft in Scheuen geschlossen wird, steigt die Aufnahmequote auf einen Schlag. Und um an dieser Stelle ein viel gehörtes Missverständnis auszuräumen: Die Aufnahmeeinrichtung an der Hohen Wende führt nicht dazu, dass das Notaufnahmelager in Scheuen geschlossen wird.

Die Stadt hat die Immobilie „Christliches Jugenddorf“ in Westercelle erworben. Dort gibt es seit gut einem halben Jahr eine „Zentrale Aufnahmestelle“. Dort werden Menschen, die der Stadt Celle zugewiesen sind, für einige Tage betreut, bis Wohnungen gefunden sind und erste Schritte erledigt sind. Wir halten das für eine sinnvolle Einrichtung.

Allerdings werden wir uns dagegen aussprechen, dass die Verwaltung die gesamte Flüchtlingsbetreuung – sowohl in der Stadt wie in der Unterkunft Hohe Wende – in einen Eigenbetrieb ausgliedern will.  Sie haben ja schon gehört, was das ist.

Ursprünglich sollte hierfür eine „Anstalt öffentlichen Rechts“ gegründet werden, unter anderem mit dem nicht ausgesprochenen Zweck, dort dann nicht nach dem Tarif des Öffentlichen Dienstes einstellen zu müssen. Das hat sich aber in steuerlicher Hinsicht als Rohrkrepierer erwiesen. Deshalb soll es jetzt der „Eigenbetrieb“ sein.

Wir sehen überhaupt nicht ein, warum die originären Aufgaben der Stadt bezüglich der zugewiesenen Geflüchteten aus der Stadtverwaltung ausgegliedert werden sollen.

Anders sieht es mit der Aufnahmeeinrichtung an der Hohen Wende aus. Diese betreibt die Stadt im Auftrag des Landes. Hier halten wir eine klare Trennung und Abgrenzung von den städtischen Aufgaben für sinnvoll und erforderlich. Das geht dann auch mit einem Eigenbetrieb, aber ausdrücklich nur für diese Aufgabe, bei der das Land die Kosten zu 100 % erstatten muss.

Niemand hat bisher erklärt, was diese Vermischung von Aufgaben soll? Der einzige vorstellbare Grund ist, dass sich die Stadt eigene Aufgaben gewissermaßen quer finanzieren lassen will. Davon halten wir gar nichts.

Bei meinen Ausführungen merken sie, dass Kommunalpolitik heute ziemlich kompliziert geworden ist. Trotzdem sollte sich niemand davon abschrecken lassen. Die Verwaltung ist gegenüber dem Rat zwar übermächtig, aber es gibt eben auch die Verpflichtung, Ratsmitglieder zu informieren, wenn sie Fragen haben. Das ist unser Recht. Und es ist unsere Pflicht als Bürgerinnen und Bürger, uns für Kommunalpolitik zu interessieren und nach Möglichkeit auch einzumischen.