Info#20121221

Städtefreundschaft mit Batman

Behiye Uca: Anerkennung der Wurzeln der Celler Kurdinnen und Kurden

In der letzten Sitzung des Jahres beriet der Celle Stadtrat die "Städtefreundschaft Celle - Batman". Behiye Uca (Die Linke) hielt dazu folgende Rede:

Ich freue mich, dass wir heute eine Städtefreundschaft zu Batman auf den Weg bringen. Es ist nicht ganz das, wofür sich über 1000 Celler Bürgerinnen und Bürger mit einer Unterschriftensammlung ausgesprochen haben. Denn die wollten eine Städtepartnerschaft. Aber – ich kann verstehen, dass dies zur Zeit nicht einfach zu realisieren ist. Zum einen angesichts der Haushaltssituation der Stadt, zum anderen aber auch wegen der diplomatischen Hintergründe.

Trotzdem: Es ist ein erster Schritt, und es ist vor allen Dingen ein wichtiges Symbol für die größte in Celle lebende Migrantengruppe, die kurdischstämmigen Ezidinnen und Eziden.

Wir haben in Celle in den letzten Jahren – endlich und beiderseitig – zu einer positiven Sicht auf unser Zusammenleben in dieser Stadt gefunden. Ich denke, dass ein Ausdruck davon auch ist, dass ich hier als erste gewählte Vertreterin aus den Reihen der Kurdinnen und Kurden sprechen kann.

 

Sie alle wissen: Das Verhältnis zwischen den alteingesessenen Cellern und den zugewanderten Kurden war in den vergangenen Jahrzehnten oft konfliktreich. Die Kurdinnen und Kurden hatten mit den typischen Problemen der Zuwanderer zu kämpfen: Die erste Generation hatte miserable Wohn- und Lebensbedingungen, die zweite Generation hatte zu kämpfen mit Fragen ihrer Identität: Wer sind wir eigentlich? Das hat gerade auch bei Jugendlichen zu Grenzüberschreitungen geführt. Diese Probleme sind weitgehend überwunden.

Auf der anderen Seite hat auch die Mehrheitsgesellschaft Fehler gemacht. Es hat lange gedauert, bis die besondere Verfolgung der Eziden in der Türkei anerkannt wurde. Und es hat Unterstellungen gegeben, die bis heute Wunden hinterlassen haben: Ich erinnere an die Unterstellungen bezüglich der Häuserkäufe durch Kurden.

Heute aber sind wir – aus meiner Sicht – auf einem guten Weg. Sie sehen das in der Politik, sie sehen es in den Vereinen, sie sehen es in den Schulen. Und wir haben einen gemeinsamen Blick auf die Zukunft: Die ezidischen Kurdinnen und Kurden gehören zu Celle. Nicht nur, weil die Allermeisten mittlerweile eine deutschen Pass haben, sondern weil sie sich als Celler fühlen und zumeist von allen anderen auch so wahrgenommen werden.

Warum ist die Städtefreundschaft mit Batman in dieser Hinsicht ein weiterer, wichtiger Schritt?

Die deutschen Eziden, denn das sind wir jetzt, haben Wurzeln – und diese Wurzeln liegen zum größten Teil in Türkisch-Kurdistan. Genauso wie die nach dem zweiten Weltkrieg geflohenen und vertriebenen Deutschen aus dem Osten ihre Wurzeln nicht verlieren wollten, so haben auch wir Kurdinnen und Kurden weiterhin einen Bezug zur ehemaligen Heimat unserer Eltern und Großeltern. Zurück will kaum jemand. Aber wir haben unsere Sprache, unsere Kultur – und wir haben unsere Erinnerungen. Wir können und wollen sie nicht verleugnen. Sie sind Teil unserer Identität.

Ich denke, dass die Städtefreundschaft Celle – Batman eine Anerkennung dieser Wurzeln darstellt.

Viele der heute in Celle lebenden Kurdinnen und Kurden haben ihre Wurzeln in der Region Batman, kurdisch: Elih. Die Stadt liegt nördlich des Tigris, auf kurdisch heißt dieser Fluss Dicle. Und Dicle ist jetzt seit vielen Jahren – wie sie wissen – ein Teil von Celle. Für die Menschen in der Neustadt war es ein Lebensmittelgeschäft, und für die Fußballer ein Verein, der gerade wieder erfolgreich in der Kreisliga spielt.

Eine Städtefreundschaft wird dazu beitragen, dass alle Menschen in unserer Stadt mehr darüber erfahren könne, was die „alte Heimat“ der Kurdinnen und Kurden ist. Und unser aller Blick auf diese Region, ihre Geschichte und ihre Gegenwart wird das Verständnis dafür wecken können, warum die kurdischen Eziden ihre Heimat verlassen mussten. Die Eziden wurden nicht nur als Kurden verfolgt, sie wurden auch religiös verfolgt.

Sie alle wissen: Der Konflikt um Kurdistan ist nach wie vor nicht gelöst und nicht befriedet. Ein Symbol dafür ist, dass der ehemalige Bürgermeister Hüseyin Kalkan Anfang diesen Jahres zu 10 Monaten Haft verurteilt wurde und dass der gewählte Bürgermeister Nejdet Atalay zur Zeit in Haft ist. Sie werden vielleicht mitbekommen haben, dass meine Schwester Feleknas vor einem Monat bei ihrer Einreise in die Türkei für 48 Stunden inhaftiert und des Landes verwiesen wurde. Ich will auf die Gründe hier nicht weiter eingehen. Sie sehen vielleicht: Es wird nicht immer eine einfache Städtefreundschaft werden. Aber der Austausch zwischen Celle und Batman kann für alle Beteiligten einen Beitrag zu gegenseitiger Anerkennung, zu mehr Toleranz und einem friedlichen Miteinander führen.

Ich denke, ich kann für alle Cellerinnen und Celler mit kurdischen Wurzeln sprechen, wenn ich sage: Wir sehen die Städtepartnerschaft als Anerkennung unserer Identität. Auch als Anerkennung, dass wir in Celle angekommen sind. Und wir sehen sie als Bereitschaft der Stadt, in der wir uns heimisch fühlen, sich auseinandersetzen mit einer anderen Kultur, zu der wir uns immer noch ein stückweit zugehörig fühlen.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.