Scheuen schließen, wenn die Hohe Wende da ist

Gesetz zur Asylverschärfung verändert die Situation

Einstimmig erteilte gestern der Stadtrat der Verwaltung den Auftrag, auf das Angebot des Landes hin in Gebäuden der ehemaligen Kaserne Hohe Wende eine "Erstaufnahme als Notunterkunft" (so die Vorlage) zubetreiben. Für den Betrieb dieser Einrichtung soll eine GmbH gegründet oder eine "Anstalt öffentlichen Rechts" (AöR) geschaffen werden. Für die Fraktion Die Linke/BSG forderte Behiye Uca die Schließung der Notunterkunft in Scheuen, wenn die Hohe Wende bezugsfertig ist. Und sie wies auch darauf hin, dass in der künftigen Erstaufnahmeeinrichtung an der Hohen Wende die Asylrechtsverschärfung zum Tragen kommen würde, so dass es schwierig sei, hierfür den Begriff "Willkommenskultur" zu verwenden. Da ihre Rede einige Kritik von Seiten anderer Fraktionen hervorrief, erläuterte Behiye Uca ihre Position in einer Pressemitteilung. Hier zunächst die Rede, dann diePressemitteilung:

"Es ist nicht einfach für uns auf dieser eher dünnen Informationsbasis eine derart weitreichende Entscheidung zu treffen – auch wenn es nur eine Vorentscheidung ist.

Seien wir ehrlich: Wer von uns weiß, was eine Erstaufnahmeeinrichtung ist? Wer von uns weiß, wie sie betrieben wird? Wer von uns weiß, auf welche Veränderungen sich unsere Stadt damit einstellen muss?

Und auch wenn es die Vorlage positiv darstellt. Nach der Asylrechtsänderung, die bis zum zum 1. November beschlossen werden soll, ist eine Erstaufnahmeeinrichtung kein Ort von „Willkommenskultur“. Eine Einrichtung, aus der auch abgeschoben wird, dürfte etwas ziemlich anderes sein.

Wir stimmen der Vorlage heute trotzdem zu. Aus zwei Gründen:

Einerseits hoffen wir, zu vielen offenen Fragen im weiteren Prozess noch Informationen zu bekommen.

Andererseits wollen wir, dass die Notaufnahmeeinrichtung in Scheuen so schnell wir möglich geschlossen wird.

Wir wünschen uns also, dass die Verwaltung mit einer klaren Forderung in die Verhandlungen geht; also: Wir machen eine Erstaufnahmeeinrichtung. Aber wir machen sie nur, wenn schnellstmöglich Scheuen geschlossen wird.

Bei allem, was die Hilfesorganisationen und die Ehrenamtlichen vor Ort dort leisten, ...

ist doch allen klar: Das ist nichts für den Winter. Das ist nichts für Kinder. Und sowas kann auch für die Erwachsene höchsten eine Notlösung für zwei, drei Wochen sein.

Ich weiß nicht, ob das möglich ist? Wenn auch andere Fraktionen der Auffassung sind, dass Scheuen schnellstmöglich geschlossen werden sollte, wenn wir uns für eine Erstaufnahmeeinrichtung entscheiden, dann sollte das in irgendeiner Form Teil des Beschlusses werden oder im Protokoll festgehalten werden.

Dann noch zu einer der offenen Fragen: Wir finden es absolut unprofessionell, dass es seitens der Landesregierung offensichtlich kein verbindliches Wort zu Frage der Anrechung auf die Quoten gibt. Stephan Manke, Staatssekretär im Innenministerium, hat in einer Pressemitteilung zugesagt, dass eine Anrechnung auf die kommunale Aufnahmequoten stattfinden soll. Unsere Frage ist: In welcher Größenordnung? Dazu braucht man doch seitens der Landesregierung eine klare Aussage.

Eine abschließende Bemerkung: Wir wollen, dass sich dieses Land und diese Stadt offen zeigen für die Aufnahme von Geflüchteten. Niemand verlässt aus Spass seine Heimat. Und eine neue Heimat zu finden, kann nur gelingen, wenn man Türen aufgemacht bekommt. Durchgehen müssen die Menschen dann selbst. Das heißt: die Sprache lernen, eine Berufsausbildung machen – also: sich integrieren lassen.

Wir denken, die Cellerinnen und Celler sind in ihrer Mehrheit offen für diesen Prozess und diese Erfahrung."

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Nachdem die Stellungnahme der Fraktion Die Linke/BSG in der gestrigen Ratssitzung Kritik aus den anderen Fraktionen hervorgerufen hat, sieht sich Behiye Uca aufgefordert, den eigenen Standpunkt noch einmal zu erläutern:

„Erstens: Wenn Gebäude in der ehemaligen Kaserne Hohe Wende für eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge hergerichtet werden, sind wir der Auffassung, dass die Notunterkunft in Scheuen geschlossen werden soll. Im Winter ist diese Notunterkunft schlicht und einfach ungeeignet. Und das hat nichts mit der Arbeit der Hilfsorganisationen und der Ehrenamtlichen zu tun, sondern mit der eben kaum verbesserbaren Situation. Die Hilfsorganisationen und die Ehrenamtlichen leisten eine hervorragende Arbeit, aber sie können aus dem Winter eben auch keinen Sommer machen.

Zweitens: Unserer Auffassung nach deckt weder die Pressemitteilung des Innenministeriums, noch die Vorlage der Verwaltung unseren Informationsbedarf hinreichend. Was soll das sein, was da entsteht? Das Innenministerium spricht in der Pressemitteilung von „Erstaufnahmeeinrichtung“ bzw. „Erstaufnahme in Notunterkünften“. Dabei soll die Kommune die Einrichtung logistisch betreiben, aber die sich aus dem Asylverfahrensgesetz ergebenden gesetzlichen Aufgaben selbstverständlich vom Land durchgeführt werden. Wir fragen also: Wieviel Erstaufnahmeeinrichtung ist das dann? Soll es eine dauerhafte Institution sein?

Drittens: Wir haben weiter darauf hinweisen wollen, dass die Asylrechtsverschärfung, die der Bundestag heute beschließt, gerade auch die „Erstaufnahme“ verändert. Einige Aspekte: Die Pflicht, in zentralen Aufnahmeeinrichtungen leben zu müssen, wird für sämtliche Asylsuchenden – unabhängig vom Herkunftsland – von drei auf bis zu sechs Monate ausgeweitet. Personen und Familien aus den so genannten sicheren Herkunftsstaaten sollen einer unbefristeten Lagerpflicht in so genannten „Aufnahmeeinrichtungen“ unterliegen – die damit faktisch zu Abschiebungslager werden. Weiter sieht das geänderte Asylbewerberleistungsgesetz zwingend vor, in Aufnahmeeinrichtungen künftig auch den „notwenigen persönlichen Bedarf“ (das so genannte Taschengeld) „soweit wie möglich“ durch Sachleistungen zu decken.

Das ist aus unserer Sicht eben die Kehrseite der „Wilkommenskultur“. Falls die „Erstaufnahme als Notunterkunft“ in der Hohen Wende diese Funktionen erfüllen soll, sollte man das zumindest zur Kenntnis nehmen.“