Information # 20121114

Lesung mit Manfred Sohn

Theorie und Praxis der Kommunalpolitik

Mit einem Lied von Franz-Josef Degenhardt zur Pariser Commune („Gewiss doch, die kommt die Kirschenzeit ..:“) eröffnete Manfred Sohn seine Lesung in der Veranstaltung des Celler Rosa Luxemburg Clubs. Sie gilt ihm als historisches Vorbild für die Neuausrichtung eines demokratischen Sozialismus, der aus seiner Sicht unbedingt einer konsequent dezentralen Ausrichtung bedarf. Denn das Scheitern der Staaten des „Realen Sozialismus“ führt Sohn entscheidend auf deren zentralistische Strukturen und Gesellschaftsmodelle zurück. Deshalb trägt sein Buch „Der dritte Anlauf“ auch den Untertitel: „Alle Macht den Räten“.

Im Zentrum sollen die Kommunen stehen, gemeint als Stadt oder Gemeinde – sie müssen seiner Auffassung nach weitestgehend autonom sein, eingebettet in ein regionalisiertes Wirtschaftsgeschehen. Der Autor sieht hierfür sowohl energetisch (dezentrale Erneuerbare) wie technologisch Voraussetzungen zur Abkehr von großindustrieller Produktion hin zu gemeinwirtschaftlichen Betrieben. Bei der Frage Plan oder Markt geht Sohn in Teilen den Weg mit, den Sarah Wagenknecht jüngst beschritt: Plan für die Gewährleistung infrastruktureller Rahmenbedingungen, dazu Gesundheitsversorgung und Bildung, dann regionale Gemeinwirtschaft losgelöst vom Markt und schließlich ein Marktgeschehen für den Rest.

Wie wenig dies mit der heutigen Situation in den Städten und Gemeinden zu tun hat, wird an deren Finanzlage deutlich. Nur 13 Prozent des gesamtstaatlichen Steueraufkommens verbleiben bei den Kommunen. Sie sind seit langem chronisch unterfinanziert. Gestaltende Funktion könnten sie auf dieser schmalen Basis kaum noch wahrnehmen.

 

Das wurde in der anschließenden Diskussionsrunde von Oliver Müller und Behiye Uca von der Fraktion Die Linke/BSG bestätigt. Alles, was die Lebensqualität in der Stadt erhöhen könnte, stünde unter dem Finanzierungsvorbehalt. Andererseits würden sich Verwaltungsspitze und die anderen Ratsfraktionen nur zu gern auf Fördertöpfe für Großprojekte stürzen, die aber durch die erforderliche Kofinanzierung durch die Stadt immer nur einen weiteren Schritt in die Schuldenfalle bedeuteten. So leicht man sich anscheinend bei manchen millionenschweren Infrastrukturprojekten tue, ohne wirklich immer ihren Nutzen nachweisen zu können, so schwer sei es auf der anderen Seite soziale, ökologische oder kulturelle Projekte zu erhalten oder anzuschieben. Auch aus Sicht des diskussionsfreudigen Publikums war klar, dass die Prioritäten falsch gesetzt würden, weil Aspekte wie das Armutsrisiko für immer größere Teile der Gesellschaft oder das erforderliche Gegensteuern gegen den Klimawandel in der Kommunalpolitik einer vergleichsweise untergeordnete Rolle spielten.

Dennoch wussten die seit der vergangenen Wahl neu in die Kommunalpolitik eingestiegenen Müller und Uca trotz des enormen Arbeitsanfalls auch von dem für sie spannenden Feld der Auseinandersetzung mit den Problemen vor Ort zu berichten. Und sie luden alle dazu ein, sich intensiver einzumischen.

Manfred Sohn, der als „Spitzenkandidat“ die Partei DIE LINKE in den Landtagswahlkampf führt, versprach am Ende der Veranstaltung, dass sich die nächste Landtagsfraktion verstärkt um einen Austausch mit den kommunalen Mandatsträger_innen im ganzen Land bemühen würde.

Manfred Sohn: Der dritte Anlauf – Alle Macht den Räten. Papyrossa Verlag, Köln 2012, 180 Seiten, ISBN 978-3-89438-491-3, 12,90 Euro