Info#20130226

AK Stadtökologie zum Thema
Wir, die Stadt und das Abwasser

Nachdem der städtische Haushalt (gegen die Stimmen von Die Linke/BSG) am 14.02.2013 vom Rat beschlossen und mit ihm auch Türen für „Privatisierung“ geöffnet wurden, hat sich „Arbeitskreis Stadtökologie“ der Fraktion einmal etwas näher mit der Gelsenwasser AG (Deutschlands größtem Trinkwasserversorger) befasst und damit, was dieser Konzern unter dem Modell „Fachpartnerschaft Abwasser“ versteht, das er Kommunen anbietet. – Hier ein Link zu der entsprechenden Werbebroschüre der Gelsenwasser AG; Titel: "Ihr Partner für eine nachhaltige Abwasserwirtschaft".

Aktueller Anlass unserer Recherche sind mehrere Gespräche, die die Celler Verwaltung im Jahr 2012 mit besagtem Konzern geführt hat - nach Eigenauskunft nur auf der „Arbeitsebene“ (hä?).

In dutzenden Städten und Gemeinden hat die Gelsenwasser AG schon umgesetzt, worum es anscheinend auch in Celle gehen soll: eine teilweisen oder kompletten Übernahme des Kanalbetriebs, d.h. der Abwasserversorgung.

Um es vorwegzunehmen: Der Städtische Kanalbetrieb wird in Celle ...

... seit weit über 100 Jahren von qualifizierten und kompetenten Mitarbeitern in vorbildlicher Weise auf höchstem technischen Niveau geführt. (So wurde z.B. mehrfach die Qualität des Klärschlamms zertifiziert, was bedeutet: Er kann völlig problemlos als Dünger auf die Felder ausgebracht werden). Es wird sinnvoll investiert, die Gebühren sind und bleiben für die Bürger_innen überschaubar.

Was will denn nun eigentlich Gelsenwasser?

Wir haben uns deren Werbebroschüre einmal vorgeknöpft und bei ein paar Punkten etwas genauer hingeschaut:

Beim ersten Lesen entsteht der Eindruck, es handele sich bei Gelsenwasser um eine karitative Einrichtung. Das klingt dann so: „So bieten wir die Möglichkeit, in einer Fachpartnerschaft auf Augenhöhe unser Fachwissen einzubringen und gemeinsam langfristig eine sichere und zuverlässige Abwasserbeseitigung zu gewährleisten.“

Das funktioniert doch nun schon aber seit über 100 Jahren im Eigenbetrieb, auch ohne einen „Fachpartner“ - und das sehr erfolgreich.

Gebührentransparenz

Auffallend häufig wird auf die erhöhte Transparenz für Bürger_innen und Kommune bei Gebührengestaltung, Gebührenhöhe, Gebührenstabilität und Abwasserbeiträge hingewiesen, die bei einer langfristigen „Fachpartnerschaft“ eintreten soll.

Aber das weiß doch nun aber jedes Kind: Es gibt ja kaum was Transparenteres auf diesem Erdball als die Betriebsführung des Städtischen Kanalbetriebs, einschließlich des Finanz- und Investitionsgebarens. Mit drei bis vier Klicks kann sich die Öffentlichkeit jederzeit im Finanz- und Ergebnishaushalt einen Überblick über Investitionen, Abschreibungen, Kreditzinsen, Löhne und Gehälter verschaffen. Nirgends ist irgendwas versteckt, was erst Gelsenwasser ans Tageslicht brächte.

Ertragslage und kommunaler Haushalt

„Das Fachpartnermodell „Abwasser“ eröffnet einer Kommune verschiedene finanzielle Vorteile:

-         zusätzliche Gewerbebesteuer

- zusätzliche haushaltswirksame und frei verfügbare Erträge

-         zusätzliche Liquidität“.

Dazu: Die abzuführende Gewerbesteuer wird natürlich vorab in die Gebühren hineingesteckt. Die Bürger_innen übernehmen also zusätzliche Steuern.

Und weiter heißt es: „Zusätzliche Erträge entstehen dadurch, daß die gemeinsame Gesellschaft das von der Kommune (also von uns, den Bürger_innen) zur Verfügung gestellte und begrenzte Gebührenvolumen effizienter nutzen kann.“

Z.B. durch Löhne senken, Stellen streichen, Investitionen zurückfahren, oder wie?

Und weiter „... sowie durch Insourcing bislang extern vergebener Leistungen Vorteile erzielen.“

Ja, aber dazu brauchten wir doch erst gar nicht an Gelsenwasser outzusourcen und erbringen diese Leistungen, wie gehabt, gleich selber!

Seltsam auch der Hinweis, das „Fachpartnermodell“ könne gut in das neue Kommunale Finanzmanagement integriert „.....und in der kommunalen Bilanz sauber abgebildet werden.“ Die Bilanz ist doch von der Stadtkämmerei wohl schon immer sauber abgebildet worden.

Technische Vorteile? Sind keine dabei!

Zu den technischen Vorteilen, die eine Partnerschaft mit Gelsenwasser angeblich bringen soll, können wir nur anmerken: Sind keine dabei, die den Städtischen Kanalbetrieb zum Wohle der Bürger_innen voranbringen könnten. Alle vorgetragenen Leistungen werden bestens in Eigenregie erbracht.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Kanalbetrieb mit dem Klärwerk, die hunderte Kilometer Kanäle, tausende Gullys, dutzende Pumpwerke sind in kommunalem Besitz, gehören also uns, den Bürger_innen. Was gäbe es für einen stichhaltigen Grund, diesen Betrieb zum Teil oder ganz zu privatisieren, irgendwelche „Fachpartnerschaften“ einzugehen? Wem nützt das? Oder wie wir vom Dorf sagen: „Cui bono“?

Ein paar gute Antworten dazu gibt der Film: „Water Makes Money“, u.a. wird auf die „Wasserpartnerschaft Veolia/ Stadt Braunschweig“ eingegangen (dort Minuten 24.00 - 30.30).

Es sei noch darauf hingewiesen, dass die Gelsenwasser AG in den letzten Wochen ins Gerede gekommen ist im Zusammenhang mit der Finanzierung des „Peer-Blog“, also des Peer-Steinbrück-Unterstützer-Blog. Der gute Mann hatte vor dem Kommunalen Beirat der Gelsenwasser AG eine 10.000-Euro-Rede gehalten, Thema „Kommunen und ihre Aufgaben in Zeiten knapper Kassen“. (Quelle: Thomas Gutschker und Markus Wehner, Artikel „Offline“ in der F.A.S. vom 10.02.2013)

(Die kursiv gesetzten Passagen sind Originaltexte aus der Gelsenwasser-Broschüre „ Fachpartnerschaft Abwasser“).

AK Stadtökologie

Zum Bild : Die Abkürzung auf dem Emailleschild steht für Städtische-Elektrizitäts-Werke, gegründet 1906. Der Schriftzug ist auch im Hafen am E-Werk in goldenen Lettern angeschraubt - und zu der Zeit gehörte noch das Wasserkraftwerk in Oldau dazu.