"Unglaubliche Ignoranz gegenüber Gleichbehandlung und Ausdruck von Geschlechterdiskriminierung"
 
In der Verlagsbeilage "Jobs für Niedersachsen", die unter anderem der Celleschen Zeitung beigelegt war, hat die Stadt Celle eine halbseitige Stellenanzeige aufgegeben, die auf geschlechtsneutrale Standards verzichtet. Bei der Stadtverwaltung werden so nur männliche Kandidaten wie „Bautechniker“, „Erzieher“, „Ingenieure“ usw. gesucht. Für Johanna Thomsen (Grüne), Sprecherin der Gruppe für Nachhaltigkeit und Vielfalt in Stadtrat, kennzeichnet dieses Vorgehen eine unglaubliche Ignoranz gegenüber Gleichbehandlung und ist Ausdruck von Geschlechterdiskriminierung: „Seit 2006 gibt es ein Gleichbehandlungsgesetz, das geschlechtsneutrale Stellenausschreibungen einfordert, zunächst mit der Adressierung ausdrücklich an Männer und Frauen und seit 2019 auch unter Einbeziehung von intersexuellen Personen, durch den Zusatz ‚divers‘ oder ‚drittes Geschlecht‘. Wer meint, das nicht beachten zu müssen, hat ganz offensichtlich ein gestörtes Verhältnis zum Gleichbehandlungsgebot. Als qualifizierte Frau würde ich mich hier nicht bewerben!"
 
Rechtlich liegt damit nach Auffassung der Gruppe eine Benachteiligung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vor. So kommentiert Juliane Schrader (Grüne) „Es ist zumindest nicht auszuschließen, dass vor diesem Hintergrund trotz persönlicher und fachlicher Eignung abgelehnte Bewerber*innen sich durch den fehlenden Zusatz (m/w/d) diskriminiert fühlen und auf Entschädigung klagen.“ Doch die rechtliche Seite sei nur der eine Aspekt des Problems: „Angesichts des Fachkräftemangels ist es völlig unverständlich, wenn sich die Verwaltung nicht einmal an einfachste Standards hält. Als moderne Arbeitgeberin präsentiert sich die Stadt damit nicht."
 
Die Gruppe für Nachhaltigkeit und Vielfalt hat deshalb eine Anfrage an die Verwaltung gerichtet. Zusätzlich wird in dieser thematisiert, dass es eine Art Dienstanweisung gibt, die die Benutzung des Gendersterns untersagt. Johanna Thomsen dazu: „Viele andere Städte gehen genau den anderen Weg und geben ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Handreichungen zur Anwendung gendersensibler Sprache.“ Die Stadt Hannover habe dazu gerade ein Gutachten erarbeiten lassen, dass die Verwendung geschlechtergerechter Amtssprache inklusive des Gendersterns nicht als Irregularität bewertet, sondern für hoheitliches Sprachhandeln und damit die Verwaltung insgesamt im demokratischen Rechtsstaat als unverzichtbar bewertet. Die Stadt Köln hat für die gendergerechte Sprache gerade einen Leitfaden erstellt, in dem unter anderem der Gender-Stern dort empfohlen wird, wo geschlechterumfassende Formulierungen nicht möglich sind. „Hier muss Celle noch viel lernen“, resümiert Thomsen.
 
Hier geht's zum Gutachten der Stadt Hannover: Genderstar verwirklicht Verfassungsauftrag