Und ewig rommelt's in Klein-Hehlen
Teilen der CDU-Fraktion dürfte durchaus bewusst sein, dass die Weigerung etlicher ihrer Mitglieder, die Rommel- und Stülpnahgelstraße umzubennen, einen Rückfall in alte Zeiten bedeutet. Die Mär von der "sauberen Wehrmacht" scheint bei ihnen Ewigkeitsrang zu beanspruchen. Nachdem auch die Fraktion Bündnis '90/Die Grünen ihre Zustimmung zu einem Grundsatzbeschluss verweigerte, war eine akzeptable Ratsmehrheit nicht in Sicht. Der Oberbürgermeister, der mit seiner Beschlussvorlage eine Brücke hatte bauen wollen, setzte die Frage von der Tagesordnung ab. Das Argument der Bündnisgrünen bezog sich auf die Rechte der Ortsräte zu Benennungen und Umbenennungen. Sie wollten keine Gängelung.
Eine Umbenennung wird es also frühestens nach der nächsten Kommunalwahl geben. Das Signal in die Republik ist einigermaßen peinlich, weil der Rat so die Empfehlung einer mit Experten besetzten Kommission einfach vom Tisch wischte.
Und der Wunsch, das Thema so aus dem Wahlkampf herauszuhalten, dürfte genau nicht aufgehen. Im Gegenteil: Jetzt ist zu erwarten, dass die AfD für den Ortsrat Klein-Hehlen kandidiert und die dortigen Mehrheitsverhältnisse hinsichtlich einer Umbenennung noch problematischer werden.
Oliver Müller, Vorsitzender der Fraktion Die Linke/BSG, nahm den Tagesordnungspunkt "77er-Straße" zum Anlass, auch auf dieses Thema einzugehen. Nach wenigen Sätzen forderte ihn allerdings der stellvertretende Ratsvorsitzende, Reinhold Wilhelms (SPD) auf, zum eigentlichen Thema zu kommen. Oliver Müller hielt sich an die Bitte, während - nur nebenbei - Jens Reymann (SPD) in dieser Frage für sich ein Sonderrecht beanspruchte.
Hier die vollständige - in Teilen ungehaltete - Rede von Oliver Müller:
"Vorweg einige Sätze zum Komplex Rommel/Stülpnagel.
Wir finden es peinlich und beschämend für diesen Rat, dass er sich nicht traut, ein klares Zeichen zu setzen.
Stülpnagel war verantwortlich für Kriegsverbrechen und Rommel war kein Teil des Widerstands. Der das sagt, nämlich Prof. Dr. Johannes Hürter, ist DER Experte für die Generalität der Wehrmacht. Es gibt keinen vernünftigen Grund, an seinem Urteil zu zweifeln.
Wir können nicht verstehen, dass das für Teile des Rates und des Ortsrates keine hinreichende Basis sein soll, eine falsche Entscheidung zu revidieren. Falsch war die Entscheidung, Straßen nach Rommel und Stülpnagel zu benennen. Falsch war die Mehrheitsentscheidung des Ortsrates. Und wir sind der Auffassung, dass es falsch ist, dieses Thema in der Luft hängen zu lassen. Genau damit hält man es nicht aus dem Wahlkampf heraus.
Die von den Grünen problematisierte Frage der Zuständigkeit des Ortsrates ist formal vielleicht richtig. Aber im Ernst: Als im Kommunalverfassungsgesetz neu festgelegt wurde, ...
dass die Ortsräte für die Straßennamen zuständig sind, ging es um sowas wie Bürgernähe. Ortsräte sollen bei neuen Straßen zum Ortsteil passende Namen finden. Mit Sicherheit war nicht beabsichtigt, dass Ortsräte geschichtspolitische Debatten austragen. Wir haben gesehen, wozu das im Ortsrat Klein-Hehlen geführt hat.
Nun zur 77er-Straße.
Wir werden dem Beschlussvorschlag zur 77er-Straße zustimmen. Es spricht sicher auch das eine oder andere für eine Umbenennung, aber wir neigen insgesamt der Argumentation der Kommission zu.
Bei der Informationstafel habe ich im Kulturausschuss unsere Kritik am Text vorgetragen. Wir wollen, dass die Verbrechen beim Namen benannt werden. Ich hoffe mal darauf, dass die Verwaltung einen Beschlussvorschlag in dieser Richtung vorlegen wird.
Was wir aus all dem lernen könnten, sind zwei Dinge:
1.) Zeitgeschichte ist nichts Abgeschlossenes. Für städtische Gremien heißt das, dass sie bereit sein sollten zur Auseinandersetzung. Und dass sie bereit sein sollten, falsche erinnerungspolitische Entscheidungen zu korrigieren. Leider sehen das nicht alle so.
Und 2.) Wahrscheinlich hätten wir uns einiges ersparen können, wenn im Vorfeld mehr miteinander geredet worden wäre. Erinnerungskultur besteht ja nicht in Besserwisserei, sondern im Bild, das sich eine Gesellschaft von der eigenen Geschichte macht. Dazu gehören dann allerdings auch seriöse Ergebnisse der Geschichtswissenschaften. Und dazu gehört auch, dass die Gesellschaft mitgenommen wird. Da ist einiges an Kommunikation schief gelaufen bzw. unterlassen worden. Aber gut: Manche wollen sich halt nicht mitnehmen lassen."