Oliver Müller (BSG) prognostiziert Gebührensteigerung und warnt: "Erster Schritt zur Privatisierung"
Gegen die Stimmen von Die Linke/BSG und Bündnis '90/Die Grünen hat der Stadtrat heute den Weg freigemacht für eine Umwandlung der Abwasserwirtschaft - das ist der Fachbereich 68 - in einen sogenannten "Eigenbetrieb" (Vorlage). Oliver Müller sprach sich in seiner Rede vehement gegen diese Umwandlung aus:
"Wenn es einen Bereich in der Stadt Celle gibt, der aus unserer Sicht optimal läuft, dann ist es die Abwasserwirtschaft.
- Anlagentechnisch haben wir ein hohes Niveau,
- der Klimaschutz findet Beachtung,
- die Gebührenerhebung ist transparent,
- es gibt keinen nennenswerten Investitionsstau,
- mit der Einführung der Niederschlagswassergebühr haben wir eine Gerechtigkeitslücke geschlossen.
Und – last but not least –: Die Gebühren bewegen sich im regionalen Vergleich auf einem für die Bürgerinnen und Bürger günstigen Niveau.
Es gibt aus unserer Sicht keinen einzigen vernünftigen Grund, an der Betriebsstruktur irgend etwas zu ändern. Und die Verwaltung kann trotz intensiver, monatelanger Arbeit auch keinen einzigen nachvollziehbaren Grund für die Überführung in einen Eigenbetrieb nennen.
Im Gegenteil: Es ist fast zwangsläufig, dass die Gebühren durch diesen Schritt steigen. Die Bürgerinnen und Bürger werden das allerdings erst nach der Kommunalwahl zu spüren bekommen.
An keinem einzigen Punkt kann die Verwaltung quantifizieren, wie die vielbemühte Effizienzsteigerung sich finanziell positiv auswirken soll.
Klar dagegen ist:
- Es gibt unterm Strich sechs Stellen mehr.
- Drei Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter werden in der Entgeltgruppe nach oben gestuft.
- Durch die Abrechnung von Leistungsbeziehungen zwischen Stadt und Eigenbetrieb will die Stadt 500.000 Euro „generieren“. Unklar ist, wieviel mehr dies ist als bisher.
Da ist doch klar, dass das die Gebühren nicht günstiger macht, sondern steigen lässt.
Dann soll das Anlagevermögen als Stammkapital an den Eigenbetrieb übertragen werden, wenn wir das richtig verstanden haben. D.h. der Wert der Anlagen der Wasser- bzw. Abwasserentsorgung soll damit dann gewissermaßen als Schulden gelten, die der Eigenbetrieb gegenüber der Stadt hat. Der Eigenbetrieb steht von Anfang an bei der Stadt in der Kreide. Zweck der Operation – ich zitiere aus der Vorlage:
„Durch die Höhe und Verzinsung des Stammkapitals kann eine beträchtliche Summe daraus für den städtischen Kernhaushalt generiert werden.“
Das ist nichts anderes als eine Umschuldung auf Kosten der Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler: Unterm Strich sollen die Bürgerinnen und Bürger ihr Eigentum also gewissermaßen ein zweites Mal bezahlen. Hier hört der Spaß doch wirklich auf.
Die ganze Operation dient letztlich also vor allem dazu, ...
einen hervorragend laufenden Bereich zu einer Melkkuh für den defizitären städtischen Kernhaushalt zu machen. Und irgendwer muss das bezahlen. Das lässt sich durch das laute neoliberale Effizienzgebimmel in der Verwaltungsvorlage nicht ansatzweise auffangen.
Diese Effizienz soll im übrigen vor allem daraus entstehen, dass der demokratisch gewählte Rat und seine Fachausschüsse weitgehend von der Bühne verschwinden. Diese öffentlich tagenden Gremien werden durch einen Betriebsausschuss ersetzt. Das bringt nicht mehr Transparenz und Klarheit, wie etwa aus den Reihen der CDU Fraktion zuvor zu hören war, sondern weniger.
Und so wundern wir uns selbstverständlich nicht, dass in der Vorlage mal wieder das Bild von der Stadt als Konzern bemüht wird. Das ist Ideologie. Die Stadt ist kein Konzern. Es geht um Gemeineigentum und im Konkreten darum, den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger nach einer an hohen Umweltstandards ausgerichteten Abwasserwirtschaft gerecht zu werden. Alles andere ist neoliberaler Schnick-Schnack.
Und ich will schließlich noch benennen, wofür mit dieser Entscheidung ein Scheunentor geöffnet wird:
Wenn die Verwaltung in ihrer Vorlage den Begriff „Haushaltswahrheit und -klarheit“ bemüht, kann man das auch so lesen: Mit dem Eigenbetrieb wird ein Produkt designt, das so für Investoren jeder Art äußerst interessant sein dürfte. Denn ohne viel Mühe lassen sich auf dieser Basis Renditeberechnungen anstellen.
Und wenn uns der Haushalt irgendwann endgültig wegbricht, wissen wir leider, dass sich hier im Rat eine Mehrheit finden wird, die Abwasserwirtschaft zu privatisieren.
Auch dass beabsichtigt ist, weitere Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge in den Eigenbetrieb auszulagern, kann als Zeichen in diese Richtung gedeutet werden.
Kurz zusammengefasst, gibt es also mindestens drei Gründe, warum wir den Eigenbetrieb ablehnen:
1.) Es findet eine Entdemokratisierung statt. Entscheidungen, die alle Bürgerinnen und Bürger betreffen, werden hinter verschlossenen Türen verhandelt.
2.) Die Gebühren werden in stärkerem Maße steigen als nötig.
3.) Es ist der erste Schritt hin zu einer Privatisierung der Abwasserwirtschaft."