Oliver Müller: "Da stehen Schadensersatzforderungen im Raum"
Der Rat der Stadt entschied mit 22 Stimmen, bei 15 Gegenstimmen und drei Enthaltungen, den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan für den EDEKA-Markt Ecke Wehlstraße/77-er Straße wieder aufzuheben. Für die Fraktion Die Linke/BSG kritisierte Oliver Müller (BSG) das Verfahren und begründete, warum die Fraktion sich der Stimme enthält:
"Ich könnte mich hier heute hinstellen und feststellen: „Schön, dass die Verwaltung jetzt nach fünf Jahren zu der Erkenntnis kommt, die wir von Beginn an hatten.“ Leider ist es nicht ganz so einfach. Aber dazu später mehr.
Zunächst zu der „technischen Vorgehensweise“:
Mein verehrter Herr Oberbürgermeister,
wenn wir auf diesem Niveau zusammenarbeiten, dann wird es nicht nur mir keinerlei Freude machen, die Stadt durch offene Diskussionen und ehrlichem Umgang gemeinsam zu entwickeln, so wie es doch eigentlich ihre Idee eines neuen, eines gemeinsamen Miteinanders war, den sie schon oft formuliert haben – und zumindest von mir dafür Lob und Unterstützung bekommen haben.
Auch wenn diese Idee zu einem geänderten Beschluss die Ratsmitglieder nicht über die Presse erreichte, so stehen doch zu viele Fragen im Raum die nach unserer Auffassung einen großen Schatten auf die heutige Entscheidung werfen könnten.
Denn: Wo bitteschön, und das fragt sich nicht nur die Fraktion der Grünen zu recht, liegt die Dringlichkeit heute zwei Sitzungen einzuberufen?
Und wie werden die Kosten, sicherlich in 5-stelliger Höhe, wie wir nach dem vergangenen Sportausschuss wissen, gegenüber der Bevölkerung gerechtfertigt?
Wie kann es sein, dass eine unlängst von einem Teil des Rates gewünschte baldige Fachausschusssitzung des Sportausschusses mit der Begründung, der OB sei in den nächsten Tagen nicht zugegen, verwehrt wird, allerdings heute kurzfristigst zwei Sitzungen stattfinden, obwohl die ehrenamtlichen Ratsmitglieder in dieser Woche nach unserem Ratskalender die Chance hatten, sich einmal um andere, persönliche Dinge zu kümmern?
Zweierlei Maß – ob sich das günstig auf unser Miteinander auswirkt?
Also: Eine Dringlichkeit, die sich vielen in dieser Stadt nicht erschließt. Aber das führt sicherlich dazu, dass ein Großteil der Bürgerinnen & Bürger mit Spannung auf die Auflösung dieses Rätsels warten wird.
Seitens der Grünen sind ja noch letzte Woche wichtige Fragen nach den Kosten formuliert worden.
Ohne zu sehr ins Detail zu gehen: Die vier Jahre Planungen der städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren, so steht es geschrieben, ja nur unwesentlich teurer als eine unserer Sitzungen.
Sachen gibt’s …
Eventuell aber auch nur, weil die Antworten mit einer sehr heißen Nadel gestrickt wurden, denn wo sind denn die Kosten für den bereits gelaufenen Investorenwettbewerb geblieben?
Die Frage, ob denn die Unterstützung seitens der Verwaltung dem Volumen des Projekts gegenüber angemessen war, die will ich hier gar nicht aufmachen, aber das ist das, was ich nach Lektüre der Beantwortung gleich dachte.
Besser ich komme jetzt zu der inhaltlichen Problematik des heutigen Beschlusses:
Es waren Die Unabhängigen, die FDP und Die Linke/BSG, die von Beginn an die Auffassung vertreten haben, dass das Cramer-Projekt sich mit der Altstadtentwicklung beißt. Konkurrenz belebt nicht immer das Geschäft. Und diese Position vertritt jetzt auch die Verwaltung. Sie verweist dabei auch auf die Verbesserung der Versorgung im Innenstadtbereich. Aber wie gesagt: Die Erkenntnis, dass das Cramer-Projekt der Altstadtentwicklung eher im Weg steht, hätte man auch vor fünf Jahren schon haben können.
Haben sich die städtebaulichen Rahmenbedingungen tatsächlich entscheidend verändert, wie der Kollege Schoeps meint?
Vor weniger als drei Jahren sah die WG-Fraktion im Cramer-Projekt noch einen „Brückenschlag zur Innenstadt“. Und die CDU-Fraktion wird in einem Protokoll vom November 2014 dahingehend zitiert, sie „sehe keine Gefährdung für die Innenstadt, sondern eher eine Bereicherung“, heute ist es – laut CZ – aus Sicht der CDU „innenstadtschädlich“.
Egal, ich bin immer froh, wenn Kolleginnen und Kollegen irgendwann unser Meinung sind.
Trotzdem ist die jetzige Situation äußerst unglücklich. Dieser Rat hat Ende 2014 dem überarbeiteten Cramer-Projekt mit großer Mehrheit grünes Licht gegeben. Die formale Begründung für das Ende ist jetzt, dass Cramer mit seiner Ausführungsplanung einige Monate ins Hintertreffen geraten ist.
Ich könnte hier jetzt etliche Projekte der Stadt Celle aufzählen, die sich nicht Monate, sondern Jahre hinauszögern. Was ja nicht immer schlecht ist, denn manchmal landen dadurch auch Planungen im Papierkorb, die es nicht besser verdient haben.
Was will ich damit sagen? Hier hält ein Investor einen mit ihm abgesprochenen Zeitplan nicht ein. Das haben wir alle eigentlich als normalen Gang der Dinge zu ertragen gelernt. Deshalb ist es problematisch, das Verfahren an dieser Stelle einfach zu beenden. Und zwar in zweierlei Hinsicht.
Erstens: Cramer hat sich im Laufe der Entwicklung ja durchaus den Forderungen der Stadt angepasst. Er hat eine wahrscheinlich nicht unbeträchtliche Summe in die Entwicklungsarbeiten gesteckt. Da stehen Schadensersatzforderungen im Raum. Und der Rat hat keine Ahnung von der Größenordnung. Und diese vermutlich beträchtlichen Investitionen, plus den damals ausgehandelten Frischemarkt in der Altstadt, hat die Firma Cramer sicher nicht grundlos auf den Weg gebracht.
Zweitens: Noch gravierender dürfte allerdings die Außenwirkung sein. Und die läuft im günstigsten Fall darauf hinaus, dass es künftig bei Investorinnen und Investoren hinter vorgehaltener Hand heißt, dass es mit der Stadt Celle Probleme geben kann.
Unser Problem als Die Linke/BSG ist jetzt: Wir wollten das Projekt nie und wollen es immer noch nicht. Aber wir meinen, dass die Stadt im Konkreten leider keine hinreichenden Gründe formuliert hat, den Aufstellungsbeschluss aufzuheben.
Da uns nichts Besseres einfällt, werden wir uns deshalb der Stimme enthalten."