Behiye Uca:
"Endlich Initiativen zu einer Armutsbekämpfung vor Ort entwickeln"
Bei der Einbringung des Antrags zur Vorstellung des "Sozialberichts" von Dr. Henning Schridde im Sozialausschuss verband Behiye Uca (Die Linke) diesen Vorschlag mit einer Kritik am Kreistag. Ihre Rede im Wortlaut:
"Ich habe beantragt, den Sozialwissenschaftler Dr. Henning Schridde in den Sozialausschuss einzuladen. Dort sollten wir uns mit seiner Studie „Sozialberichterstattung und soziale Kommunalpolitik“ beschäftigen.
Sie alle haben mitbekommen, dass die Daten dieser Studie die Öffentlichkeit aufgeschreckt haben:
Fast 30 Prozent der Kinder unter drei Jahren leben in Celle, in Eschede und Unterlüß in Hartz IV-Familien. Das heißt: am Rande des Existenzminimums. Das ist aus meiner Sicht kein Wunder. Es ist schlicht und einfach eine Konsequenz der Hartz-Reformen.
Vor fünf Jahren hat die Kreisverwaltung die Erstellung eines „Armutsberichts“ abgelehnt, den damals Andreas Hauptmeyer in die Diskussion gebracht hatte. Die Argumente der Verwaltung waren – ich zitiere:
„Besondere Erkenntnisse sind aus einer solchen Berichterstattung ohnehin nicht zu erwarten. [...] Schließlich sind soziale Schieflagen durch Maßnahmen auf Bundes- und/oder Landesebene zu beheben; die Möglichkeiten und Zuständigkeiten des Landkreises reichen hier bei weitem nicht aus. Auch deshalb führt ein regelmäßiger Armuts-/Reichtumsbericht für das Kreisgebiet nicht weiter.“ [Zitat Ende]
Ich finde beide Argumente falsch.
Ich finde es wichtig, das Ausmaß zur Kenntnis zu nehmen, in dem Menschen vor Ort an den Rand gedrängt werden.
Und ich finde es wichtig, auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen dagegen anzugehen.
Der Kreistag hat sich aus Sicht meiner Partei ...
... dieser Verantwortung seit Einführung der Hartz-Gesetze nicht gestellt. Wie oft ist seit Einführung von Hartz IV im Kreistag über die Umsetzung vor Ort diskutiert worden? Einmal? Zweimal? Der Kreistag tut in seiner Mehrheit so, als sei die ganze Angelegenheit ein reines Geschäft der Verwaltung. Das ist aber nicht so.
Der Kreistag hat zum einen die Aufgabe, den „Ablauf der Verwaltungsangelegenheiten“ zu überwachen – so steht es in der Kommunalverfassung. Darüberhinaus ist der Kreistag ein politisches Gremium mit einem Gestaltungsauftrag. Nur – was fällt Ihnen dazu ein für die vergangenen 8 Jahre? Wo gab es mal eine politische Initiative, die sich mit der sozialen Situation von Langzeiterwerbslosen auseinandergesetzt hat? Wenn ich böswillig wäre, würde ich sagen: Einer Mehrheit ist Kreistag ist die Armut egal.
Aber ich bin nicht böswillig. Und deshalb hoffe ich, dass Sie am besten noch heute Zustimmung zu meinem Antrag signalisieren. Dann kann die Verwaltung Herrn Dr. Schridde einfach einladen, ohne dass wir vorher erst noch den Antrag im Sozialausschuss behandeln müssen.
Von dem Vortrag und der Diskussion mit Dr. Henning Schridde erhoffe ich mir, dass
1.) die Vorbehalte zur Sozialberichterstattung ausgeräumt werden können und dass
2.) Kreistag und Verwaltung endlich Initiativen zu einer Armutsbekämpfung vor Ort entwickeln.
Wenn wir nicht endlich damit beginnen, dann brauchen wir in der Tat keinen „Armutsbericht“ ...,
dann brauchen wir nur ein politisches „Armutszeugnis“ – und das können wir dann uns allen ausstellen."
Hier der am 11.03.2013 in der CZ erschienene Bericht "Kreistag streitet über Armutsbericht" zum download