Linke/BSG fragt nach

Oliver Müller: "MIssverständliche Aussage des Oberbürgermeisters?"

Die von Oberbürgermeister Mende mit Unterstützung der Ratsfraktionen von SPD und CDU betriebene Prüfung der Teilprivatisierung von Klärwerk und Kanalbetrieb wirft viele offene Fragen auf. In der letzten Ratssitzung behauptete der Oberbürgermeister, wie jetzt auch im Protokoll nachzulesen ist: "Der Bereich der Abwasserkanäle würde den städtischen Haushalt sehr wohl belasten, da die Abschreibungen im Ergebnishaushalt und nicht über die Gebühren erwirtschaftet werden müssten."

Der Vorsitzende der Ratsfraktion Die Linke/BSG, Oliver Müller, ist der Auffassung, dass diese Position klärungsbedürftig ist: "Ich bin jetzt kein Experte, was das Kommunalabgabenrecht betrifft. Aber meines Erachtens regelt das Gesetz ganz eindeutig, dass zu den Gebühren auch Abschreibungen und eine angemessene Verzinsung des aufgewandten Kapitals gehört." Dies sei eindeutig geregelt in § 5 Abs. 2 Satz 4 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG).

Die Fraktion Die Linke/BSG ist der Auffassung, dass die Verwaltung angesichts der Bedeutung der Frage einer Teilprivatisierung der Abwasserwirtschaft hierzu Stellung nehmen sollte. Oliver Müller: "Aus unserer Sicht ist es gerade einer der Vorteile des Betriebs der Abwasserwirtschaft in Eigenregie, dass er kostendeckend betrieben wird, also zum Wohle der Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler keine Gewinne erwirtschaftet werden dürfen, andererseits aber eben auch alle Kosten von Klärwerk und Kanalbetrieb in den Gebühren widergespiegelt werden." Müller sieht darin einen entscheidenden Unterschied zu der Hereinnahme privater Teilhaber, die immer ein Gewinnerzielungsinteresse hätten.

 

Hintergrundinformationen:

Niedersächsisches Kommunalabgabengesetz (NKAG) in der Fassung vom 23. Januar 2007

§ 5 Benutzungsgebühren

(1) 1 Die Gemeinden und Landkreise erheben als Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen Benutzungsgebühren, soweit nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird. 2 Das Gebührenaufkommen soll die Kosten der jeweiligen Einrichtungen decken, jedoch nicht übersteigen. 3 Die Gemeinden und Landkreise können niedrigere Gebühren erheben oder von Gebühren absehen, soweit daran ein öffentliches Interesse besteht.

(2) 1 Die Kosten der Einrichtungen sind nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu ermitteln. 2 Der Gebührenberechnung kann ein Kalkulationszeitraum zugrunde gelegt werden, der drei Jahre nicht übersteigen soll. 3 Weichen am Ende eines Kalkulationszeitraums die tatsächlichen von den kalkulierten Kosten ab, so sind Kostenüberdeckungen innerhalb der nächsten drei Jahre auszugleichen; Kostenunterdeckungen sollen innerhalb dieses Zeitraums ausgeglichen werden. 4 Zu den Kosten gehören auch die Gemeinkosten einschließlich der anteiligen Kosten für den Hauptverwaltungsbeamten und die Volksvertretung der Gemeinde oder des Landkreises, Entgelte für in Anspruch genommene Fremdleistungen, Abschreibungen, die nach der mutmaßlichen Nutzungsdauer oder Leistungsmenge gleichmäßig zu bemessen sind, sowie eine angemessene Verzinsung des aufgewandten Kapitals; bei der Verzinsung bleibt der aus Beiträgen und Zuschüssen Dritter aufgebrachte Kapitalanteil außer Betracht. 5 Der Berechnung der Abschreibungen kann der Anschaffungs- oder Herstellungswert oder der Wiederbeschaffungszeitwert zugrunde gelegt werden.

 

Dass es da kaum Interpretationsspielräume gibt, belegen auch zwei Verwaltungsgerichtsentscheidungen:

Zu grundsätzlichen Fragen hat das VG Oldenburg (Urteil vom 24.09.2009, 2 A 1323/06) in einem Urteil zur Kalkulation von Abwassergebühren festgehalten:

"Die Gemeinden und Landkreise erheben als Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen - wie hier die öffentliche Abwasseranlage der Beklagten - Benutzungsgebühren, soweit nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird. Das Gebührenaufkommen soll die Kosten der jeweiligen Einrichtung decken, jedoch nicht übersteigen, § 5 Abs. 1 Satz 2 NKAG. Die Kosten der Einrichtung sind nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu ermitteln. Zu den Kosten gehören auch die Gemeinkosten einschließlich der anteiligen Kosten für den Hauptverwaltungsbeamten und die Volksvertretung der Gemeinde oder des Landkreises, Entgelte für in Anspruch genommene Fremdleistungen, Abschreibungen, die nach der mutmaßlichen Nutzungsdauer oder Leistungsmenge gleichmäßig zu bemessen sind, sowie eine angemessene Verzinsung des aufgewandten Kapitals; bei der Verzinsung bleibt der aus Beiträgen und Zuschüssen Dritter aufgebrachte Kapitalanteil außer Betracht (§ 5 Abs. 2 Satz 4 NKAG). Nach § 5 Abs. 2 Satz 5 NKAG kann der Berechnung der Abschreibungen der Anschaffungs- oder Herstellungswert oder der Wiederbeschaffungszeitwert zugrunde gelegt werden."

Und auch in einem Beschluss des Niedersächsischen OVG (Beschluss vom 3. Januar 2011 · Az. 13 LA 103/09) heißt es grundsätzlich:

"Investitionsaufwendungen der Gemeinden für leitungsgebundene Einrichtungen der Abwasserbeseitigung werden nach §§ 6, 6a NKAG stets durch die Erhebung von Abwasserbeiträgen auf die Benutzer abgewälzt und somit refinanziert."