Macht Abwasserwirtschaft ein Haushaltsplus?

Die von einer Ratsmehrheit und Oberbürgermeister Mende verfolgte Teilprivatisierung der Abwasserwirtschaft wirft aus Sicht der Ratsfraktion Die Linke/BSG schon jetzt viele offene Fragen auf. Sie will mit einer Ratsanfrage jetzt für etwas mehr Aufklärung sorgen. Dabei geht es unter anderen auch um die Frage, wie der behauptete Investitionsstau zustande gekommen ist. So ist der Fraktionsvorsitzende Oliver Müller der Auffassung, dass in den vergangenen Jahren und auch für die Folgejahre die Investitionen im Schnitt deutlich unter dem liegen, was den Gebührenzahlerinnen und -zahlern über die Abschreibungen bei den Abwassergebühren gezahlt haben: "Wir meinen, wenn dem so ist, muss dies Bestandteil der öffentlichen Diskussion werden."

In der letzten Ratssitzung behauptete Oberbürgermeister Mende, wie auch im Protokoll nachzulesen ist: "Der Bereich der Abwasserkanäle würde den städtischen Haushalt sehr wohl belasten, da die Abschreibungen im Ergebnishaushalt und nicht über die Gebühren erwirtschaftet werden müssten."

Oliver Müller ist der Auffassung, dass diese Position klärungsbedürftig ist: "Ich bin jetzt kein Experte, was das Kommunalabgabenrecht betrifft. Aber meines Erachtens regelt das Gesetz ganz eindeutig, dass zu den Gebühren auch Abschreibungen und eine angemessene Verzinsung des aufgewandten Kapitals gehört." Dies sei eindeutig geregelt in § 5 Abs. 2 Satz 4 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG).

Die Fraktion Die Linke/BSG meint, dass die Verwaltung angesichts der Bedeutung der Frage

einer Teilprivatisierung der Abwasserwirtschaft hierzu Stellung nehmen sollte. Oliver Müller: "Aus unserer Sicht ist es gerade ein Merkmal der Abwasserwirtschaft in Form des Regiebetriebs, dass sie kostendeckend betrieben wird, also zum Wohle der Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler keine Gewinne erwirtschaftet werden dürfen, andererseits aber eben auch alle Kosten von Klärwerk und Kanalbetrieb in den Gebühren widergespiegelt werden." Müller sieht darin einen entscheidenden Unterschied zu der Hereinnahme privater Teilhaber, die immer ein Gewinnerzielungsinteresse hätten.

 

Nach Müller Auffassung hat der behauptete "Investitionsstau" eine Ursache darin hat, dass die über den Gebührenanteil eingenommene Abschreibungsbeträge nicht in voller Höhe wieder verausgabt wurden: "Die von Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahlern aufgebrachten Mittel sind - vereinfacht gesagt - nicht in die Sanierung des Kanalsystems, sondern in die Sanierung des Haushalts eingeflossen." Für die Jahre 2008 - 2012 sind nach Auffassung der Fraktion Die Linke/BSG gut 10 Millionen Euro für Abschreibungen in den Haushalt geflossen, aber nur knapp 8 Millionen in Klärwerk und Kanalnetz investiert worden. Und für die Jahre 2013 - 2016 belaufen sich die Planungen auf eine Investitionshöhe von knapp 6 Millionen Euro, über den Abschreibungsanteil bei den Gebühren würden aber 8,6 Millionen eingeplant. Oliver Müller: "Wir erwarten, dass die Verwaltung hierüber gegenüber der Öffentlichkeit Klarheit schafft. Deshalb wollen wir die Antworten auch im Rat, also öffentlich, hören."

Hier die Anfrage im Wortlaut:

Anfrage gem. § 16 Geschäftsordnung des Rates der Stadt Celle

Thema: Abwasserwirtschaft

1.) In der "Gebührenbedarfsrechnung Stadtentwässerung 2013" heißt es: "Gemäß § 5 NKAG sind für kostenrechnende Einrichtungen kostendeckende Gebühren zu erheben. Die Bedarfsrechnung basiert auf der Betriebsabrechnung 2011. Die Betriebskosten wurden mit folgenden Steigerungsraten fortgeschrieben und durch die aus wesentlichen Investitionen resultierenden Kosten ergänzt." Welche Kostenbestandteile fließen in die Berechnung der Abwassergebühren ein

2.) In welcher Höhe sind in der Abwasserwirtschaft (getrennt nacht Klärwerk und Kanalbetrieb) in den Jahren 2008-2012 Investitionen getätigt worden? In welcher Höhe sind in den Folgejahren bis 2016 Investitionen geplant?

3.) In welcher Höhe erfolgten die in den Abfallgebühren enthaltenen Abschreibungen in den Jahren 2008-2012? In welcher Höhe werden in den Folgejahren bis 2016 diese Abschreibungen erfolgen?

4.) Gegenüber der Öffentlichkeit vertritt Oberbürgermeister Mende die Auffassung, es gebe einen "Investitionsstau" im Abwasserbereich. Teilt die Verwaltung die Auffassung, dass dieser "Investitionsstau" eine Ursache darin hat, dass der über den Gebührenanteil eingenommene Abschreibungsbetrag nicht in voller Höhe wieder verausgabt wurde - also letztlich die von Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahlern aufgebrachten Mittel nicht in die Sanierung des Kanalsystems, sondern - vereinfacht formuliert - in die Sanierung des Haushalts eingeflossen sind? Kann sich daraus nach Auffassung der Verwaltung ein Klageanspruch von Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahlern ergeben?

5.) Gem. § 5 Abs. 2 Satz 4 NKAG i. d. F. vom 23.1.2007 gehören "zu den Kosten [...] auch die Gemeinkosten einschließlich der anteiligen Kosten für den Hauptverwaltungsbeamten und die Volksvertretung der Gemeinde oder des Landkreises, Entgelte für in Anspruch genommene Fremdleistungen, Abschreibungen, die nach der mutmaßlichen Nutzungsdauer oder Leistungsmenge gleichmäßig zu bemessen sind, sowie eine angemessene Verzinsung des aufgewandten Kapitals". In der Ratssitzung vom 14.03.2013 behauptete der Oberbürgermeister laut Protokoll: "Der Bereich der Abwasserkanäle würde den städtischen Haushalt sehr wohl belasten, da die Abschreibungen im Ergebnishaushalt und nicht über die Gebühren erwirtschaftet werden müssten." Wie ist diese Äußerung vor dem Hintergrund der NKAG zu verstehen?