"Torte statt Worte"

Offener Brief von Oskar Ansull

Nachdem die CZ heute über das Verschwinden des "Dichterraums" im Museumscafé nach dem Pächterwechsel berichtete, erhielten wir von Oskar Ansull den "Offenen Brief", aus dem die CZ zitierte. Wir bringen den mal in voller Länge zur Kenntnis. Wir müssen wohl zugeben, in der Frage gepennt zu haben (bzw. waren wir der Auffassung, dass sich die Bibliotheksgesellschaft schon drum kümmern wird.) Die Ausschreibung der Neuverpachtung des Museumscafés lief im vergangenen Dezember auf Grundlage einer Bewertungsmatrix für die Angebote (auch durch den Verwaltungsausschuss); in dieser "Matrix" hätte der Erhalt des "Dichterraums" wahrscheinlich Bestandteil sein können - dem war nicht so, und wir sind nicht darüber gestolpert. Sorry.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

als vor wenigen Jahren im Museumscafé an der Stechbahn ein kleiner „Dichterraum Celle“ eingerichtet wurde, ein Zwischenraum, dachten die Initiatoren hiermit einen Ort für die Literatur in und um Celle zu schaffen, der vergangenen und gegenwärtigen Autoren auf eine lange Zeit einen sichtbaren Platz gibt. Autoren, die in und um Celle geboren wurden oder dort lebten und leben. Doch da haben sich die Bibliotheksgesellschaft und die RWLE Möller Stiftung gründlich getäuscht. Bei der Übergabe von einem Pächter auf den anderen wurde zwar ein Teil des ehemaligen Mobiliars der Löwenapotheke übernommen, aber die Inschriften an den Wänden des Dichterraums – Zitate von Arno Schmidt, Hermann Löns, Hans Fallada u.a. – wurden entfernt und überstrichen, alles Übrige ebenfalls wegrenoviert. Futsch! Es gibt nur noch das neu aufgelegte Faltblatt, ...

das auf diesen Raum hinweist.

Die Stadt hat einen Arno-Schmidt-Platz im Zentrum, eine Fritz-Grasshoff-Gasse zwischen Stadtkirche und Schloss, eine Hölty-, Fallada- und Lönsstraße; ja es weisen noch weitere Straßenschilder auf Schriftsteller und Dichter hin, selbst ein Gymnasium schmückt sich mit dem Dichternamen Hölty, der in Celle die Lateinschule besuchte und während der Zeit bei seinem Onkel in der Schuhstraße wohnte. Eine Tafel verkündet es dort.

Es gibt also in dieser Stadt eigentlich ein positives Verhältnis zur Literatur, das in der Lage ist einen sensiblen Umgang mit den Künstlern des Wortes zu pflegen, sollte man meinen. Doch hat niemand von den Verantwortlichen eine schützende Hand für den Dichterraum erhoben, der doch gerade als ein Raum im Rahmen des Museums schützenswert gewesen wäre. Zumal es für die Dichter in der Stadt sonst keinen sichtbaren Ort gibt, an dem sie mit ihren Büchern gezeigt werden. Es wurde nicht erkannt, dass die Stadt hier etwas Wesentliches, einen Teil ihrer kulturellen Gegenwart und Geschichte, geschenkt bekommen hat – sie, die an allen Ecken und Enden an der Kultur spart. Die RWLE Möller Stiftung hat die nicht unerheblichen Kosten der Ausgestaltung des Dichterraumes mit über 5000 € getragen. Eine Investition, die nun vernichtet worden ist. Ein Bestandsschutz wäre hier möglich gewesen, wenn man Interesse gezeigt und es gewollt hätte.

Der Dichterraum Celle gehört(e), wie das Museum, zur Stadt und wurde von vielen Gästen anerkennend bewundert und war ein beliebter Treffpunkt, der nun fehlt. Das hat sich aber nicht bis zu den Verantwortlichen für diesen Pächterwechsel herumgesprochen, und ist einer unangenehmen Gleichgültigkeit kulturellen Dingen gegenüber zum Opfer gefallen. Das gilt als Beobachtung nicht allein für Celle. Es wäre traurig, wenn sich eine solche Haltung dennoch auch hier fortsetzen sollte    

Die Torten, die jetzt im Museumskaffee Einzug halten werden, sie sind sicher sehr gut und lecker, sie hätten sich auch mit den Dichterinnen und Dichtern sehr gut vertragen; für mich aber bleibt der kleine Zwischenraum in der ehemaligen Löwenapotheke weiterhin der „Dichterraum Celle“, sei es als unsichtbares Symbol für den sorglosen Umgang mit der Literatur oder als Aufforderung, dies bei einem irgendwann erfolgenden Pächterwechsel zu korrigieren, denn einen besseren Ort hat Celle nicht für seine schreibenden Töchter und Söhne und Gäste gehabt. Jetzt aber heißt es an diesem Ort, auch wenn die Haltbarkeit schriftlicher Erzeugnisse sich als langlebiger und haltbarer erwiesen hat als jedes Gebäck: TORTE statt WORTE.

 

Oskar Ansull - Berlin, 23. Juni 2014