Oliver Müller:

Kleines Ja und großes Nein

In der Ratssitzung am 17. Juli 2014 verabschiedete der Rat gegen die Stimmen von "Die Unabhängigen" und "Die Linke/BSG". Der Prozess zur Konsolidierung des Haushalts war von der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanegement (KGSt) begleitet worden. Jetzt wurde eine Liste von Maßnahmen über den 1. Nachtragshaushalt 2014 verabschiedet. Warum Die Linke/BSG diesem "Sparpaket" nicht zugestimmt hat, begründete der Fraktionsvorsitzende Oliver Müller (BSG) in seiner Rede vor dem Rat:

"Hat der KGSt-Prozess etwas gebracht? Die Frage beantworten wir mit einem kleinen Ja und einem großen Nein. Ich will das begründen.

Positiv war, dass sich Rat und Verwaltung auf einen sehr zeitraubenden Prozess eingelassen haben und dass die Diskussion sachbezogen verlaufen ist. Positiv sind auch Teile der Ergebnisse. Und ich führe ein wichtiges Ergebnis an, auf das wir die Öffentlichkeit unbedingt hinweisen müssen:

Selbst intensive Sparbemühungen werden in absehbarer Zeit nicht dazu führen, dass die Stadt einen strukturell ausgeglichenen Haushalt bekommt. Dem Oberbürgermeister ist in einem also unbedingt zuzustimmen: Die Stadt hat vorrangig ein Einnahmeproblem.

Darauf haben wir nur bedingt Einfluss, zumal der Schritt der Erhöhung der Gewerbe- und Grundsteuer zwischenzeitlich gegangen ist. Mit der Einführung der Niederschlagssteuer gehen wir jetzt einen weiteren, für die Bürgerinnen und Bürger unangenehmen Schritt. Aber: Wir finden das vertretbar, weil es sich eine Leistung handelt, die die Stadt erbringt - und für die sachgerecht eine Gebühr erhoben werden kann. So, wie das in vielen Städten schon Gang und Gäbe ist.

Was wäre eine Konsequenz aus dem Einnahmeproblem? Die Parteien, die die Bundesregierung und die Landesregierung tragen, ... müssen endlich dahingehend Einfluss nehmen, dass die Kommunen finanziell besser ausgestattet werden.

Was ist noch positiv? Wir finden es bemerkenswert, dass sich die CDU von der Forderung nach Deckelung der Personalausgaben verabschiedet hat. Das ist aus unserer Sicht richtig. Die Senkung von Personalausgaben kann nur über den Zwischenschritt einer Aufgabenkritik erfolgen. Dieses Mal ist so verfahren worden. Das bringt immer noch Härten hervor. So ist für uns durchaus noch nicht ausgemacht, ob der heutige Beschluss, die Zahl der Ausbildungs- und Berufspraktikantenstellen zu reduzieren, zukunftsträchtig ist. Aber: Es gilt eben nicht Gießkannenprinzip, sondern es gibt eine politische Entscheidung, die wir gegebenenfalls auch wieder rückgängig machen können.

Das war's dann aber leider auch schon auf der Positivliste.

Das eigentliche Sparergebnis muss man sich schon schönreden, um daraus einen Erfolg zu machen. Um z.B. auf die Gesamtverbesserung von rund 3 Millionen Euro zu kommen, die in der Öffentlichkeit kommuniziert wurden, muss man schon die nächsten drei Jahre zusammenrechnen. Die Realität sieht so aus:

Wie kommen im Jahr 2017 auf eine Verbesserung in Höhe von 1,2 Millionen Euro. Und - wenn man ehrlich ist - lässt sich fast nichts davon der Begleitung durch die KGSt zurechnen. Ich nenne nur drei Positionen, auf die auch Bestandteil normaler Haushaltsberatungen gewesen wären - und die zusammengerechnet schon zwei Drittel des Einsparergebnisses bringen:

1.) 335.000 Euro bringt die Niederschlagsteuer;
2.) 80.000 Euro bringt die Reduzierung des Standards bei Bepflanzung und Pflege der Grünanlagen;
3.) gut 400.00 Euro ergeben sich durch die Reduzierung von Personal und Ausbildung.

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Diesem kleinen Sparpaket hätten wir durchaus zustimmen können. Warum stimmen wir jetzt doch dagegen?

Erstens: Bestandteil des Haushaltssicherungskonzepts ist die sogenannte "Liste 3", von der wir etliche Maßnahmen entschieden ablehnen.

Zweitens: Wir sind der Auffassung, dass mindestens zwei Aspekte in den Konsolidierungsprozess gehören. Das ist die Reduzierung der Investitionen und das ist die Congress-Union.

Erstmal einiges zur "Liste 3" und der "Gemeinsamen Erklärung" - nur einige Aspekte:

1.) Wir wollen keine Privatisierungen, auch nicht in Form einer "Anstalt öffentlichen Rechts". Das soll geprüft werden für die Vergabe der Bauhofleistungen an Externe, die Umorganisation der Abwasserwirtschaft sowie die Umorganisation von technischen Betrieben. Der mögliche finanzielle Nutzen ist - aus unserer Sicht - zu vernachlässigen gegenüber dem Verlust an Einflussmöglichkeiten durch den Rat. Und wir wissen auch, dass in vielen Fällen die Qualität unter Ausgliederungen leidet. Heute schon zu beobachten bei den Teilen der Schneeräumarbeiten, die in Celle von privaten erledigt werden.

2.) Wir sind gegen die Erhebung eines Pachtzinses von Kleingärtnern und wir sind genauso gegen eine Auflösung des Kleingartenvereins Hollenkamp zur Erweiterung des Wohngebiets. Kleingärten sind ein wichtiger Bestandteil von Naherholung und sie sind kein Auslaufmodell, sondern sie sind - wie sich gerade in den Großstädten beobachten lässt - wichtig für die Entwicklung neuer Lebensstile.

3.) Eine ganze Reihe von Maßnahmen der „Liste 3“ betrifft die Sportvereine und würde deren Leistungsfähigkeit gravierend beschneiden. Wir sollten den Sportentwicklungsplan abwarten, statt hier vorab Kürzungen zu prüfen. Und wir sollten vor allem nicht einerseits über eine millionenschwere Multifunktionshalle spekulieren, aber andererseits durch Kürzungen Einschnitte im Alltag der Sportvereine hervorrufen. Das passt nicht zusammen.

4.) Die Überprüfung der Ortsräte wie auch des Integrationsausschusses geben unserer Ansicht nach falsche Signale: Wir wollen diese Gremien nicht abschaffen, sondern sie – und das halten wir auch für erforderlich - in ihrer Aufgabenwahrnehmung stärken.

Eine Anmerkung zu dem Argument, die Punkte auf "Liste 3" würden doch alle nur "geprüft". - Wenn ich mich gegen einen Urlaub mit dem Flieger entschieden habe, brauche ich weder Kataloge über Jamaika oder Kuba wälzen und ich brauche mich auch nicht nach der billigsten Fluglinie umschauen. Das ist verschwendete Zeit.

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Leider sind zu keinem Zeitpunkt in den KGSt-Beratungen die "Millionengräber" ernsthaft auf den Prüfstand gestellt worden. Man ist bekanntlich mit dem Anspruch in die Beratungen gegangen, 29 - 39 Millionen im Investitionshaushalt zu sparen. Am Ende steht eine "rote Null".

Vielleicht denke ich ja nur zu kleinbürgerlich. Aber: Wenn ich knietief im Dispo stecke, kaufe ich mir kein neues Auto. Von daher empfinde wir es als Fortschritt, wenn in der gemeinsamen Erklärung jetzt festgeschrieben wird, "dass künftig vor Investitionen eine Bedarfsanalyse durchgeführt und eine Folgekostenberechnung erstellt wird".

(Nebenbei: Genau darauf übrigens - auf die Notwendigkeit eine Bedarfsanalyse - wollen wir mit unserem Fragenkatalog zur Multifunktionshalle aufmerksam machen, der am Ende dieser Sitzung behandelt wird.)

Wir sind uns sicher, dass der zweispurige Ausbau des Nordwalls einer Bedarfsanalyse und Folgekostenberechnung nicht standhält. Und wir sind bekanntlich der Auffassung, dass die Zweispurigkeit für die Stadtentwicklung absolut nachteilig ist. Kurzum: Hier kann der Rat immer noch eine Kehrtwendung machen. Aber bald ist es zu spät dafür und Millionen in ein kontraproduktives Projekt versenkt.

Ein letzter Punkt: Überrascht waren wir immerhin, dass erstmals die CongreßUnion auf einer der KGSt-Listen auftauchte. Hier sind wir der Auffassung, dass die Stadt sich bemühen sollte, dieses "Millionengrab" loszuwerden - fast vorbehaltlos würden wir einer Privatisierung zustimmen. Aber meine Kollegin wird hierzu gleich noch ein paar Sätze sagen, da sie sich an diesem Punkt mehr aufregt als ich.

Ich komme zum Ende: Sie haben bemerkt, dass ich mich weitgehend jeder Polemik enthalten habe. Der Beratungsprozess hatte aus unserer Sicht den Vorteil, dass er sehr sachbezogen lief und so auch einige Gräben zwischen den Fraktionen zugeschüttet werden konnten. Am Ende steht aber eine politische Bewertung. Ich hoffe, sie können nachvollziehen, warum wir heute nicht zustimmen.

Eine Polemik will ich mir aber doch nicht verkneifen: Nachdem die Stadt Augsburg sich vor zwei Jahren von der KGSt begleiten ließ und ihre Sparziele - ebenso wir wir - deutlich verfehlte, zog man dort eine Konsequenz, die den Sparerfolg leicht verbesserte: Man kündigte die Mitgliedschaft in der Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement, kurz KGSt. Ein Schritt, den wir für den nächsten Haushalt zur Nachahmung empfehlen.