"Same Procedure As Every Year"

Die Linke/BSG lehnt Haushaltsplan 2015 ab

Die Einigkeit der beiden großen Ratsfraktionen CDU und SPD in Haushaltsfragen täuscht leicht darüber hinweg, dass es selbstverständlich dazu auch eine Opposition gibt. Für die Fraktion Die Linke/BSG verwies deren Vorsitzender Oliver Müller in seiner Haushaltsrede am 11.12.2014 auf viele Ungereimtheiten und einigen Wahnwitz - (aus z.T. anderen Gründen stimmten auch die Mitglieder der Fraktion Bündnis '90/Die Grünen, Dr. Hörstmann als Einziger der Unabhängigen und Dr. Knigge als Abweichler aus den Reihen der CDU dagegen):

"Wie von Zauberhand ist das voraussichtliche Haushaltsdefizit in den letzten Wochen um einige Millionen geschrumpf. Und ein wesentlicher Posten dabei ist die positive Gewerbesteuerentwicklung.

Demgegenüber wirken einige unserer Anstregungen, zum Beispiel bei den Ortsräten oder den Fraktionsmitteln zu sparen, einigermaßen bizarr und schrumpfen auf das, was sie sind: reine Symbolik.

Die CDU-Fraktion hat einige wichtige Fragen zur Gewerbersteuerentwicklung gestellt. Uns ist etwas anderes aufgefallen:

Während sowohl im Bundes- wie im Landesdurchschnitt die Gewerbesteuereinnahmen längst wieder auf dem Stand des Jahres 2008 sind – also dem Ergebnis vor der Krise –, liegen wir in Celle bei gut 80 Prozent. Was heißt das? Hätten wir heute wieder die Gewerbsteuereinnahmen von 2008, nämlich gut zehn Millionen Euro mehr als aktuell, wären wir fein raus.

Aber klar - „Hätte hätte Fahrradkette.“

Trotzdem bleibt die Frage: Warum ist das so? Warum befindet sich Celle in dieser Sondersituation? Die Verwaltung hat uns darauf unter Berufung auf das Steuergeheimnis keine Antwort geben können. Aber wenn man jetzt im Zuge der Luxemburger Steuerenthüllungen liest, dass auch Baker Hughes, Halliburton und Cameron in Luxemburg Holdings unterhalten unterhalten, wundert man sich schon.

Es ist ja im übrigen auch nicht so, dass von der Celler Gewerbefront düstere Betriebsergebnisse verkündet würden. Eher im Gegenteil. Und das scheue Reh namens „Kapital“ hat sich in den vergangenen Jahren bekanntlich weder von dem Hebesatz unserer Gewerbesteuer,

noch von Frau Dr. Schmitt oder Herrn Mende abschrecken lassen, viele Gewerbeflächen in Celle neu zu belegen.

Wir sehen wieder einmal: Wesentliche Positionen des Haushalts liegen überhaupt nicht in unserer Hand. Die positive Einnahmeentwicklung hat aber dazu geführt, dass wir beim Blick auf das Ergebnis der „Ein- und Auszahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit“ im Jahr 2015 ein Plus von einer Million stehen haben. Schulden entstehen – vereinfacht gesagt - durch Investitionen bzw. deshalb, weil wir das Geld dafür nicht „erwirtschaften“.

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Die Sparbemühungen des letzten Jahres haben einige – auch aus unsere Sicht – sinnvolle Maßnahmen gebracht, aber gleichzeitig viele, denen wir nicht zugestimmt haben und nicht zustimmen werden. Unterm Strich ist zu wenig herausgekommen.

Deshalb geht es jetzt über einen Nebeneingang an die Personalkosten. Beim Nachtragshaushalt im Sommer hatten wir noch den Eindruck, dass die CDU-Fraktion sich der - aus unserer Sicht - einzig vernünftigen Linie anschließt, dass nämlich eine Reduzierung der Personalkosten nur auf Grundlage eine Aufgabenkritik erfolgen kann. Hierfür ein einfaches Beispiel: Wollen wir darauf verzichten, dass jeweils für eine kurze Phase im Jahr Stiefmütterchen in öffentlichen Grünflächgen gesetzt werden? Wenn ja, stellt sich die Frage: Kann man damit Personal einsparen? Und wenn die Chefinnen und Chefs in der Verwaltung dazu „Ja“ sagen, dann könnte man das sozialverträglich angehen. Anders geht es aus unserer Sicht nicht.

Was CDU und SPD jetzt wollen, nämlich eine Wiederbesetzungssperre, hat damit leider nichts zu tun. Die Konsequenz ist nämlich, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung schlicht Mehrarbeit leisten müssen, wenn ihr Fachbereich von einer solchen Wiederbesetzungssperre betroffen ist. Da geht es dann ja nicht um 1 Prozent Mehrarbeit, sondern - je nach Struktur - um erheblich mehr. Im Einzelfall mag das ja trotzdem klappen, in der Breite aber dürfte es dazu führen, dass in ein, zwei Jahren wieder der hohe Krankenstand im Rathaus beklagt wird. Unser Fazit: Wir halten davon gar nichts. Oder um es positiv zu formulieren: Wir halten es für möglich, über Aufgabenkritik und unter Einbeziehung des Personalrats zu positiven Ergebnissen für den Haushalt zu kommen, aber nicht auf dem Weg, den Sie jetzt einschlagen.

 

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Nächster Punkt:

Wir entfernen uns immer weiter vom Anspruch, „Bürgerkommune“ zu sein. Ich will dazu nur drei Aspekte nennen.

Noch vor zwei Jahren hatten wir einen Schmalspuransatz zu einem Bürgerhaushalt. In diesem Jahr haben wir die Vorschläge der KGSt hinter verschlossenen Türen behandelt. Meine Fraktion hat sich an diese Selbstverpflichtung gehalten. Im Nachhinein finden wir diesen Ansatz falsch. Es muss und sollte eine offene und öffentliche Diskussion mit der Stadtgesellschaft und mit den Betroffenen geben. Das betrifft zum Beispiel die Pachtgebühren, die von den Kleingartenvereinen bzw. ihren Pächterinnen und Pächtern erhoben werden sollen. Vielleicht wäre z.B. dieser Vorschlag dann längst vom Tisch. Für uns zum Beispiel kommt das überhaupt nicht in Frage und ich kann nur hoffen, dass auch die CDU ihre Ablehnung in dieser Frage weiter festigt.

Ein zweiter Aspekt: Selbstverständlich ist jede Form von Bürgerbeteiligung für die Verwaltung zeit- und personalintensiv. Und leider sind ja auch die Formen, in denen Bürgerbeteiligung verläuft, häufig nicht gerade dazu angetan, diese tatsächlich herzustellen. Wichtig erscheint mir an diesem Punkt aber eins: Wir sollten nicht dem Effektivitätsgedanken Vorrang geben. Leider befürchte ich genau dies bei der Umstrukturierung der Fachausschüsse. Offensichtlich dient es vor allem dem effektiven Einsatz von Personalressourcen auf Seiten der Verwaltung. Im Sinne der Fachauschussmitglieder und der Bürgerinnen und Bürger ist es aus meiner Sicht nicht. - Auch die von der CDU angestoßene Diskussion zur Budgetierung des Haushalts geht in diese Richtung. Das führt ganz nebenbei auch zu einem „freiwilligen“ Verzicht auf Kontrolle.

Der giftigste Punkt auf der „Liste 3“ ist die Umorganisation der Abwasserwirtschaft sowie die Umorganisation von technischen Betrieben in eine „Anstalkt öffentlichen Rechts“. Wir wollen keine Privatisierungen, auch nicht in Form einer "Anstalt öffentlichen Rechts".Der mögliche finanzielle Nutzen ist - aus unserer Sicht - zu vernachlässigen gegenüber dem Verlust an Einflussmöglichkeiten durch den Rat und Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger. Und wir wissen auch, dass in vielen Fällen die Qualität unter derartigen Ausgliederungen leidet.

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Ich komme zu unseren Alternativ-Vorschlägen:

Es wird schwer fallen, den Schuldenstand zu senken, wenn man sich nicht von den großen Schuldenmachern und Großprojekten verabschiedet. Ich erinnere mal daran, dass die CDU vor einem Jahr das Ziel usgegeben hatte, bei den Investitutionen 29 – 39 Millionen Euro einzusparen. Im Ergebnis ist weniger als nichts daraus geworden. Ja, schaut man genau hin, haben sich die Investitionen durch die geplante Anschaffung einer Verbuchungstheke die Stadtbibliothek sogar erhöht.

Deshalb jetzt zum Schluss noch Einiges unter dem Motto „Same procedure as every year“, wie es in „Dinner for One“ heißt.

Punkt 1.) Städtische Union

Der KGSt-Prozess hat erneut vor Augen geführt, dass die Congress Union ein Millionengrab ist. Der Betrieb verursacht Jahr für Jahr Verluste von rund 2,5 Millionen Euro. Dazu kommt ein jährliches Minus durch die Tiefgarage von über 700.000 Euro. Weiter zahlen wir nach wie vor für Kredite in Höhe rund 15 Millionen Euro, die der Union zugeordnet sind, Zinsen.

Wir können hier erneut nur an die anderen Fraktionen appellieren: Suchen wir hierfür eine Lösung. Die kann aus unserer Sicht dann gern auch in einer Privatisierung bestehen.

Punkt 2.) Nordwall

Dieses Millionenprojekt ist aus unserer Sicht das Gegenteil einer zukunftsorientierten Stadtentwicklung. Die geplante gegenläufige Verkehrsführung verhindert jede Form von ökologisch  orientierter Stadtentwicklung. Im nächsten Jahr bietet sich wahrscheinlich die letzte Chance zu einem Ausstieg – das Immissionsgutachten wird ja hoffentlich auch für Sie zum Wegweiser für die nächstbeste Ausfahrt.

Punkt 3.) Multifunktionshalle

Es ist uns absolut unverständlich, wie man allen Ernstes weiter daran arbeiten kann, ein weiteres Millionengrab auszuheben. So schön die Vorstellung einer Multifunktionshalle ist - ich brauche keine Machbarkeitsstudie für 30.000 Euro, um zu wissen: Das ist nicht machbar, ohne weitere Schulden aufzuhäufen. Und wenige Minuten im Internet genügen, um zu wissen: Das lässt sich nur defizitär betreiben. Das heißt: Allein schon der gesunde Menschenverstand reicht, um festzustellen: Damit das geht, müsste uns Wolfsburg eingemeinden.

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Ich will aber noch eine positive Anmerkung machen. Auch wenn es jetzt hier im Rat für die Bürgerinnen und Bürger manchmal nicht so aussieht: In den Fachausschüssen erleben wir, dass sich alle Ratsmitglieder und Fraktionen auf der argumentativen Ebene auseinandersetzen und sich bei der Suche nach dem bestmöglichen Ergebnis auch Standpunkte annähern.

Wir liegen allerdings mit unseren Positionen zum Haushalt auch in diesem Jahr wieder quer zu vielen Positionen der beiden großen Ratsfraktionen. Deshalb werden wir dem Haushalt 2015 nicht zustimmen."