Linke/BSG sagt Nein zu Gewerbe- und Grundsteuererhöhungen
"Weil einige Große keine Steuern mehr bezahlen, sollen das viele Kleine ausgleichen?"
Bei 13 Gegenstimmen und vier Enthaltungen hat der Stadtrat in seiner Sitzung am 17.12.2015 den Haushalt für das kommende Jahr verabschiedet. Trotz sprunghafter Erhöhung von Gewerbe- und Grundsteuern bleibt ein Minus von rund 16 Millionen Euro. Die Fraktion die Linke/BSG hat den Haushaltsentwurf abgelehnt. Der Fraktionsvorsitzende, Oliver Müller (BSG), hat dies in seiner Haushaltsrede so begründet:
"Ich beginne mal mit einem Zitat, das Ephraim Kishon zugeschrieben wird. Es beschreibt, glaube ich, treffend, wie sich die meisten von uns im Rat heute fühlen.
„Und aus dem Chaos sprach eine Stimme zu mir:
>Lächle und sei froh! Es könnte schlimmer kommen.<
Und ich lächelte, war froh, und es kam schlimmer.“
Als ich mich vor fünf Jahren entschied, für den Rat zu kandidieren, hatte ich noch eine Hoffnung. Wenn man endlich eine Reihe größenwahnsinniger Projekt in dieser Stadt beenden würde, könnte alles gut werden.
Ich bin ehrlich genug, um zu sagen: Selbst wenn die Streichliste meiner Fraktion umgesetzt würde, käme dabei aktuell kein ausgeglichener Haushalt heraus. Das spricht selbstverständlich nicht dagegen, es trotzdem zu tun. Denn genau wie es beim Klimawandel einen Unterschied macht, ob sich die Erderwärmung bei 1,7 oder 2,2 Grad stoppen lässt, macht es auch einen Unterschied, ob das Haushaltsdefizit der Stadt 8, 10 oder 12 Millionen im Jahr beträgt.
Trotzdem geht es nicht nur darum, dass ... sondern wie ein besseres Ergebnis erzielt werden kann. Und da setzen wir nach wie vor auf andere Positionen als die Verwaltungsspitze und die Mehrheit des Rates.
An der Ursache der desaströsen Situation kann der Stadtrat nichts ändern. Der Einbruch der Gewerbesteuer hat Gründe, die außerhalb unseres Handelns liegen.
Bei der Erdölzulieferindustrie ist es der Preisverfall. Es gibt Prognosen, die besagen, dass das bis 2020 so bleiben wird. Diese Preiskrise führt zu dem, was man Marktbereinigung nennt. Wir erleben das bei der Übernahme von Baker Huges durch Halliburton. Die möglichen Folgen für Celle sind – ich erinnere an Kishon – noch gar nicht absehbar. Denn selbstverständlich geht es nicht nur um die Gewerbesteuer. Am Ende kann es auch um Hunderte Arbeitsplätze gehen.
Trotzdem sind wir nicht der Auffassung von Oberbürgermeister Mende, dass Lockerungen beim Fracking einen Ausweg aus der Krise bieten können. Und wir sind aus anderen Gründen sowieso dagegen. Wer das Pariser Klimaabkommen ernst nimmt, weiß: Es darf kein „Weiter so!“ geben bei der Förderung von Kohle, Erdöl und Erdgas.
Leider hat es zudem den Anschein, dass nicht nur von den Erdölzulieferbetrieben keine Gewerbesteuer mehr fließt, sondern dass sich auch andere Großbetriebe arm rechnen. Da kann ich nur an die Vertreterinnen und Vertreter der Berliner Regierungsparteien appellieren: Sorgen Sie endlich dafür, dass Steuerflucht beendet wird und Steuerschlupflöcher geschlossen werden. Steuerschlupflöcher, die im allgemeinen die mittelständischen Unternehmer nicht finden.
Vor diesem Hintergrund finden wir, dass die beabsichtigte Erhöhung der Realsteuern ein logischer Kurzschluss ist.
Weil einige Große keine Steuern mehr bezahlen, sollen das viele Kleine ausgleichen? Und ein anderes Argument haben Sie nicht.
Das ist ja so, als wenn Sie ein Haus mit vier Wohnungen vermieten … und weil eine Partei nicht mehr zahlt, erhöhen Sie die Mieten der anderen um 33 Prozent. Aber genau nach dieser Logik wird hier heute wohl ein Haushalt beschlossen.
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Wie Sie wissen, ...
gab es nur ein einziges Mal in dieser Ratsperiode eine relevante Abstimmung mit einer Mitte-Links-Mehrheit. Das war, als wir vor drei Jahren der Gewerbesteuererhöhung zugestimmt haben – gegen die Stimmen der CDU.
Bei der Gewerbesteuer sind ja zwei Aspekte zu bedenken. Einerseits geht es um die Konkurrenz der Städte und Gemeinden. Da halten wir nichts von einem Unterbietungswettbewerb. Celle soll einen Hebesatz nehmen wie vergleichbare Städte. Deshalb haben wir 2012 zugestimmt. Und deshalb würden wir auch einer weiteren Anhebung um jeweils 10 Punkte in den nächsten beiden Jahren zustimmen. Es scheint eine Mehrheit zu geben für 30 Punkte in einem Schritt – und das nur, weil es ein gigantisches Haushaltsloch zu stopfen gilt.
Noch kurz zum anderen Aspekt der Gewerbesteuer: Selbstverständlich bieten wir als Stadt im Gegenzug etwas: Infrastruktur, soziale Einrichtungen, Kulturangebote. Wenn wir also hier sinnvoll Zusätzliches zu bieten hätten, sollten wir selbstverständlich die Betriebe an den zusätzlichen Kosten beteiligen. Nur: Genau das wird es in nächster Zeit nicht geben.
Letztlich sollen also nur die kleinen und mittelständischen Unternehmen ein Loch bei den Gewerbesteuereinnahmen stopfen, das durch wenige Große entstanden ist.
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Ähnlich ist es bei den Grundsteuern. Es ist doch nicht so, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern mehr bieten dafür, dass sie mehr bezahlen sollen. Im Gegenteil: Wir haben den Immobilienbesitzerinnen und -besitzern gerade die Regenwassergebühr aufgehalst. Was wir richtig finden, weil es hiergenau darum geht, eine Leistung gerecht verteilt zu bezahlen.
Deshalb: Auch die Grundsteuern könnte man anheben. Aber doch bitte mit Maß. Ich habe den Eindruck, dass hier nur darauf geschaut wird, wieviel Hunderttausend Euro hierüber eingenommen werden können. Dass dies die Bürgerinnen und Bürger zu zahlen haben – und hier dann wirklich alle, geht dabei fast unter.
Kurzum: Auch bei der Grundsteuer B halten wir die Erhöhung nicht für angemessen.
Bei der Frage der Kita-Gebühren schließen wir uns der Intention und der Argumentation von Bündnis '90/Die Grünen an: Wir halten es nicht für sinnvoll, Eltern in größerem Maße zur Kasse zu bitten.
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Ich habe es eingangs gesagt: Was wir an Alternativen vorschlagen, reicht leider nicht mehr aus, zu einem ausgeglichen Haushalt zu kommen. Trotzdem muss man das nicht lassen.
1.) Es gibt in dieser Situation keinen einzigen vernünftigen Grund, weiter Jahr für Jahr Millionen in das Grab der CongressUnion abfließen zu lassen. Hier müssen wir endlich aufhören, Verluste zu sozialisieren. Hier soll sich endlich ein privater Investor versuchen. Vielleicht findet sich ja einer.
2.) Wie verrückt muss man sein, weiter an einem Projekt wie dem Bau einer Mehrzweckhalle festzuhalten? Auch wenn's über PPP gemacht wird, ist es kein Geschenk, sondern produziert laufend Kosten – und zwar höhere Kosten, als uns aktuell die Sportstätten kosten.
3.) Investitionen werden geschoben – auf 2017, 2018 und die Folgejahre. Wir werden aber auch in zwei oder drei Jahren das Geld nicht haben. Es wäre nur ehrlich sich von unfinanzierbaren Projekten zu verabschieden. Und dazu gehört auch der gegenläufige Ausbau des Nordwalls. Und wenn hier endlich mal Ehrlichkeit einkehren würde, könnten wir endlich beginnen das Quartier städtebaulich zu entwickeln. Ansonsten rottet der vorhandene Baubestand weiter vor sich hin – und am Ende hilft wirklich nur noch der Abriss. Angesichts der Mietwohnungen, die wir jetzt in der Stadt wieder brauchen, wäre das einigermaßen dumm. Ich weiß nicht, warum Sie sich das nicht eingestehen wollen. Vielleicht weil Wahlen vor der Tür stehen?
4.) Wir haben das Geld einen Kreisel nach dem anderen zu bauen, aber wir haben kaum noch Geld, um Schlaglöcher zu stopfen. Das alles wegen einer falschen Förderpolitik seitens Bund und Land. Das wird um so deutlicher, je weniger finanzielle Spielräume eine Stadt wie Celle noch hat. Wir machen Überflüssiges, weil wir Zuschüsse bekommen, und wir lassen Notwendiges, weil wir dafür kein Geld haben.
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Wir werden diesem Haushalt nicht zustimmen. Denn es gibt eigentlich nur zwei Argumente, den Bürgerinnen und Bürgern diese Mehrbelastungen zuzumuten.
Das eine Argument klingt zwar gut: Weniger Verschuldung. Aber – wie gesagt: Wir fordern dafür, dass erst oder auch an anderen Stellen gespart werden muss, bevor die Steuer derart erhöht werden.
Das andere Argument ist: Hannover genehmigt den Haushalt sonst nicht. Die große Angst vor dem Sparkommissar. Wie alles andere verschieben Sie das doch bestenfalls auf das nächste Jahr. Aber ja – es ist das Jahr nach der Wahl.
Wir sollten unsere Entscheidungen nicht von irgendeiner hannoverschen Drohkulisse abhängig machen, sondern davon was sinnvoll ist bzw. was den Betrieben und den Bürgerinnen zuzumuten ist."