Pressemitteilung#20120817
Kreistagsanfrage von Behiye Uca (Die Linke):
Katastrophenschutz im Fall einer Nuklearkatastrophe im AKW Grohnde
Mit einer umfangreichen Anfrage stellt die Kreistagsabgeordnete Behiye Uca (Die Linke) den Katastrophenschutz im Fall einer Nuklearkatastrophe im AKW Grohnde auf den Prüfstand: „Der Landkreis Celle liegt noch in der so genannten Fernzone des AKW. Nach einer aktuellen Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz basierend auf den Erfahrungen aus dem Unfall von Fukushimahat sich gezeigt, dass auch noch bis zu 170 km Entfernung radioaktive Kontaminierungen mit 20 Millisievert Bodenstrahlung pro Jahr eintreten können. Das BfS kommt zu dem Ergebnis, dass der Katastrophenschutz in Deutschland einer nuklearen Katastrophe von dem gleichen Ausmaß, wie sie in Fukushima auftrat, nicht gewachsen wäre.“
Den Fragenkatalog hat die Kreistagsabgeordnete auf Bitte und Anregung von Celler Atomenergie-Gegnern eingereicht. In den 23 Fragen geht es um den Stand und Aktualisierungen des Katastrophenschutzkonzeptes für den Fall eine Super-GAU im alten und pannenanfälligen AKW Grohnde.
Unter anderem wird gefragt: „Inwieweit hat der Kreis Celle die erforderlichen Katastrophenschutzmaßnahmen für den Fall eines schweren Reaktorunglücks im AKW Grohnde mit Freisetzung radioaktiver Stoffe überarbeitet?“, „Wie, wann, wo und von wem würden die Jodtabletten verteilt?“ oder „Sind im Falle eines schweren Reaktorunglücks im AKW Grohnde Evakuierungs-Maßnahmen für den Kreis Celle geplant? Wenn ja, welche?“ Der Landrat soll die Fragen in der nächsten Kreistagssitzung beantworten.
Behiye Uca: „Den Anti-AKW-Initiativen geht es darum, die Diskussion um eine verdrängte Gefahr anzustoßen. Die Reaktorkatastrophe von Fukushima hat gezeigt, dass das Risiko real ist. Die beste Katastrophenschutzmaßnahme bleibt aber mit Sicherheit die sofortige Stilllegung der Atomanlagen.“
Mehr Infos zur Problemati beim Anti-Atom-Plenum Weserbergland oder NDR.
Die Anfrage:
Sehr geehrter Herr Landrat,
seit dem dreifachen Super-GAU in Fukushima hat sich die Diskussion um das Problem der deutschen Katastrophenschutz-Planungen zugespitzt. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat eine Studie erstellt, die das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ unter der Überschrift „Die verdrängte Gefahr“ am 19.03.2012 veröffentlichte. Das Bundesamt für Strahlenschutz kommt in dieser Studie zu dem Ergebnis, dass der Katastrophenschutz in Deutschland einer nuklearen Katastrophe von dem gleichen Ausmaß, wie sie in Fukushima auftrat, nicht gewachsen wäre. Einer von vielen Gründen ist zum Beispiel, dass der Richtwert für Evakuierungen in Deutschland mit 100 mSv/Jahr viel zu hoch angesetzt ist. In Japan wurden Evakuierungen bei einem Eingreifs richtwert von 20 mSv/Jahr durchgeführt. Selbst diesen Wert sehen viele Strahlenschützer als zu hoch an. Zudem wurden lang andauernde radioaktive Kontaminationen, wie sie bei einer Kernschmelze üblich sind, gar nicht berücksichtigt.
Vor dem Hintergrund dieser neuen Studienergebnisse wende ich mich im Namen der Atomkraftgegnerinnen und Gegner in Celle und auf Anregung der Regionalkonferenz „Grohnde abschalten“ an Sie mit folgenden Fragen zur Aktualisierung des Konzepts für den Katastrophenschutz bei kerntechnischen Unfällen. Ich bitte um Beantwortung in der nächsten Kreistagssitzung.
- Inwieweit hat der Kreis Celle die erforderlichen Katastrophenschutzmaßnahmen für den Fall eines schweren Reaktorunglücks im AKW Grohnde mit Freisetzung radioaktiver Stoffe überarbeitet?
- Ist das Allgemeine Krankenhaus für Strahlenkranke eingerichtet und mit entsprechend ausgebildetem Personal ausgestattet?
- Wie viele Dekontaminationseinheiten stehen den BürgerInnen des Kreises Celle sofort und aktiv zur Verfügung?
- Wie viele Menschen könnten durch diese pro Stunde untersucht und ggf. dekontaminiert werden?
- Wie viele Strahlenschutzanzüge und Atemschutzmasken sind im Kreis Celle vorhanden?
- Wie ist sichergestellt, dass die für den Katastrophenschutz zuständigen Behörden vom AKW-Betreiber über die Gefahr eines Unfalls bzw. einen Unfall mit Freisetzung radioaktiver Stoffe schnell und umfassend informiert werden?
- Wo und wie würde das Ausmaß der radioaktiven Kontamination im Kreis Celle gemessen? Wie wird die Bevölkerung informiert?
- Wie, wann, wo und von wem würden die Jodtabletten verteilt? (Die Einnahme der Tabletten Stunden vor der Strahlenbelastung entscheidet über den Erfolg)
- Werden genügend Jodtabletten verteilt, damit die Bevölkerung sie an mehreren Tagen einnehmen kann?
- Wo lagern die Jodtabletten für den Kreis Celle?
- Wie kommen die Tabletten im Katastrophenfall schnell nach Celle und wie werden sie schnell genug verteilt, falls sie nicht schon hier vorhanden sind?
- Was ist mit den Menschen/Kindern, die im Kindergarten, in der Schule oder bei der Arbeit sind?
- Wie lange sollen sie dort bleiben? Wie werden sie versorgt?
- Was ist im Katastrophenschutzplan festgelegt worden?
- Sind im Falle eines schweren Reaktorunglücks im AKW Grohnde Evakuierungs-Maßnahmen für den Kreis Celle geplant? Wenn ja, welche?
- Gibt es Extra-Regelungen für die besonders strahlensensiblen Kleinkinder und für Schwangere?
- Wie viele Busse stehen im Kreis Celle zur Verfügung? Wie viele PKW sind zusätzlich nötig?
- Welche Straßen stehen zur Verfügung?
- Wann wurde zuletzt eine Katastrophenschutzübung mit Katastrophenschutzstab und betroffener Bevölkerung durchgeführt? Für wann planen Sie eine solche Übung?
- Wie wird sichergestellt, dass die Bevölkerung im Ernstfall sofort alle Informationen erhält und gewarnt wird? Warnung auch nachts über Sirenen oder Social-Media?
- In welchem Zeitrahmen wäre die Evakuierung der Bevölkerung des Kreises Celle möglich?
- Was für Personal und Material ist für eine Evakuierung vorhanden?
- Hat die Bevölkerung Informationen über eine mögliche Evakuierung, z.B. was mitgenommen werden sollte?
Begründung:
Die neue Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz vom April dieses Jahres „Analyse der Vorkehrungen für den anlagenexternen Notfallschutz für deutsche Kernkraftwerke basierend auf den Erfahrungen aus dem Unfall von Fukushima“ zeigt, dass auch noch bis zu 170 km Entfernung radioaktive Kontaminierungen mit 20 Millisievert Bodenstrahlung pro Jahr eintreten können. Nach Maßgabe der Strahlenschutzrichtlinien bedeutet dies, dass bis zu einer Entfernung von 170 km vom AKW evakuiert werden muss. Daher sollten im Falle AKW Grohnde auch die entsprechenden Landkreise in Niedersachsen mit in die Katastrophenschutzplanung einbezogen werden. Die Reaktorkatastrophe von Fukushima hat gezeigt, dass das Risiko real ist und die beste Katastrophenschutzmaßnahme die sofortige Stilllegung der Atomanlagen ist.