Pressemitteilung #20120727
Die Linke/BSG fordert Stadt auf, Verfassungsgerichtsurteil sofort umzusetzen
Oliver Müller: „Da darf keinen Tag länger gewartet werden“
Das Bundesverfassungsgericht hat bekanntlich mit Mitte Juli die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für Erwachsene und für Kinder für evident zu niedrig und verfassungswidrig erklärt. Die Ratsfraktion Die Linke/BSG hat jetzt Oberbürgermeister Dirk-Ulrich Mende gebeten, dieses Urteil schnell umzusetzen. Der Fraktionsvorsitzende Oliver Müller (BSG) befürchtet, dass die Stadt zunächst einmal einfach die bestehenden Bescheide auslaufen lässt: „Ich denke, das wäre unmoralisch. Das Bundesverfassungsgericht hat diese fast 20 Jahre währende Ungerechtigkeit grundlegend vom Tisch gefegt. Deshalb muss die Stadt jetzt bestehende Bescheide rückwirkend aufheben, und mit Datum der Verkündung des Urteils neue Bescheide mit höheren Leistungen ausstellen.“ Müller ist der Auffassung, dass die betroffenen Flüchtlinge dies mit Widersprüchen oder Überprüfungsanträgen sowieso durchsetzen könnten, aber: „Viele werden diese Möglichkeiten nicht kennen und ergreifen, deshalb sollte aus unserer Sicht die Stadt von sich aus tätig werden.“
Seit 1993 waren die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes nicht mehr erhöht worden und lagen zuletzt gut 30 Prozent unter Hartz IV. Ausdrücklich formuliert das Bundesverfassungsgericht: “Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.” Die Sozialleistungen werden für alleinstehende Flüchtlinge auf 336 Euro monatlich erhöht. Eine weitere wichtige Konsequenz aus dem Urteil ist die Tatsache, dass ein Mindestbetrag an Bargeld gewährt werden muss, um den persönlichen Bedarf zu decken. Dieser Betrag liegt für den/die „Haushaltsvorstehende“ bei 133 Euro sowie bei 120 Euro für weitere Erwachsene und bei 77 Euro bis 85 Euro für Kinder und Jugendliche. Die Ratsfraktion Die Linke/BSG vertritt hier die Auffassung, dass die Stadt den Gesamtbetrag als Barleistung auszahlen soll. Oliver Müller: „Auch wenn Innenminister Schünemann hier eine andere Position vertritt, meinen wir, dass Städte alles in bar auszahlen können. Damit hört endlich die Diskriminierung auf und die Stadt kann die dafür zuständigen Mitarbeiter endlich mit sinnvollen Angelegenheiten betrauen.“
Auf eine Anfrage soll die Verwaltung im übrigen u.a. die Zahl und Einzelheiten zu den vom Asylbewerberleistungsgesetz Betroffenen mitteilen; siehe ganz unten:
Hier noch das Schreiben an Oberbürgermeister Dirk-Ulrich Mende:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
das Bundesverfassungsgericht hat bekanntlich am 18. Juli 2012 die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für Erwachsene und für Kinder für evident zu niedrig und verfassungswidrig erklärt. Im Grunde ist die Intention des Bundesverfassungsgerichts klar erkennbar, dass die Leistungen schnellstmöglich angepasst werden müssen – nicht nur im Rahmen einer Gesetzesreform, sondern auch schon in der Praxis.
Wir meinen, die Flüchtlinge haben einen moralischen Anspruch darauf, dass die Leistungen sofort und rückwirkend zum 18. Juli an die vom Bundesverfassungsgericht genannten Sätze angepasst werden. Dafür müsste die Stadt bestehende Bescheide rückwirkend aufheben. Wir möchten Sie bitten, dies zu tun.
Bei möglicherweise rückwirkend bestehenden Ansprüchen ist es wahrscheinlich sinnvoll, eine Klärung abzuwarten.
Allerdings sind wir der Auffassung, dass die Intention des Bundesverfassungsgerichtsurteils eine Differenzierung in Sach- und Barleistungen nicht zwingend vorschreibt. Wir möchten Sie deshalb bitten zu prüfen, ob nicht auf die – aus unserer Sicht – diskriminierende Gutscheinpraxis verzichtet werden kann, zumal dann nicht weiter städtische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier für gänzlich sinnlose Arbeiten eingesetzt würden.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Müller
Anfrage
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
wir möchten Sie bitten, im nächsten Verwaltungsausschuss folgende Fragen zu beantworten:
Vor dem Hintergrund des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 18. Juli 2012 zur Verfassungswidrigkeit des Asylbewerberleistungsgesetzes fragen wir:
- Wie viele Personen (gestaffelt nach den unterschiedlichen Regelsatzgruppen) sind in der Stadt Celle vom BVerfG-Urteil betroffen? Wie viele dieser Personen waren bereits am 01.01.2011 im Leistungsbezug?
- Wie hat die Stadt Celle auf das Urteil reagiert bzw. wie hat sie die Aufforderung des BVerfG umgesetzt?
- Wie viele Widersprüche bzw. Überprüfungsanträge (für wie viele Personen) sind nach Urteilsverkündung bei der Stadt eingegangen, um rückwirkend Leistungen zu erhalten?
- Welche rechtliche Sicht vertritt die Stadt Celle gegenüber diesen Widersprüchen und Überprüfungsanträgen?
- Wie viele Flüchtlinge bekommen aktuell Sachleistungen (Gutscheine)? Seit wann erfolgt für wie viele Personen die Vergabe von Gutschienen – bitte gestaffelt nach: mehr als 24 Monate, mehr als 36 Monate, mehr als 48 Monate?
- Wie viele Leistungskürzungen bestehen aktuell? Aus welchen Gründen wurde in jeweils wie vielen Fällen gekürzt?